Bundesrechnungshof Behörde wirft Bahn Finanztricks mit Corona-Milliarden vor
Berlin/Bonn · Das Staatsunternehmen steht nach einem Bericht des Bundesrechnungshofs im Verdacht, Fehlentwicklungen der Vergangenheit mit den Corona-Milliarden der Bundesregierung begleichen zu wollen.
Der Bundesrechnungshof in Bonn hat erhebliche Bedenken gegen die von der Bundesregierung geplanten Eigenkapitalhilfen für die in Schwierigkeiten geratene Deutsche Bahn. Die dafür angestellten Planrechnungen des Bundes, so heißt es in einem vertraulichen Bericht des Kontrollgremiums an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags, würden auf „aktuell unsicheren Annahmen“ beruhen. Deshalb sieht sie der Bundesrechnungshof „nicht als ausreichend an, um bereits jetzt einen mehrjährigen Finanzbedarf zu ermitteln und Kapitalhilfen in Milliardenhöhe aus dem Bundeshaushalt zu dessen Deckung zu bewilligen“, steht in dem Report, der unserer Redaktion vorliegt.
Um die Bahn bei der Bewältigung der corona-bedingten Schäden zu unterstützen, plant der Bund, dem staatlichen Unternehmen mit 5,5 Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapital unter die Arme zu greifen. Davon sollen 4,5 Milliarden Euro schon in den „kommenden Wochen“ ausbezahlt werden, heißt es in einem Bericht der Bundesregierung, auf den die Kontrolleure des Bundes Bezug nehmen. Der Rest soll in einem Zeitraum von fünf Jahren dem Verkehrsträger zugutekommen. Das Passagieraufkommen der Bahn ist seit Beginn der Corona-Pandemie auf zehn bis 15 Prozent gesunken.
Der Bundesrechnungshof räumt in seinem Bericht ein, dass die Corona-Schäden für die Bahn elementar seien. Allerdings könnten weder die Bundesregierung noch das Unternehmen selbst konkret darlegen, welche Schäden auf die Pandemie zurückgingen. Die Bahn hatte den zusätzlichen Finanzierungsbedarf durch die Corona-Krise auf elf bis 13,5 Milliarden Euro geschätzt. Den will sie nun durch Einsparungen im Personal- und Sachkostenbereich, durch eine höhere Verschuldung und die Eigenkapitalhilfen des Bundes decken. Die Kontrollbehörde des Bundes argwöhnt dagegen, dass die Bahn mit den neuen Milliarden auch Fehlentwicklungen der Vergangenheit begleichen will.
Das Staatsunternehmen hat in den Segmenten Güter- (Cargo) und Personennahverkehr (Regio) mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Im Cargo-Geschäft weiteten sich die Verluste 2019 aus. Außerdem ist der Busverkehr im Bereich Region defizitär. Die Auslandstochter Arriva, die europaweit Transportdienstleistungen anbietet, wirft keinen Ertrag ab, obwohl ihr Verkauf der Bahn vier Milliarden Euro bringen sollte. Der Bundesrechnungshof bemängelt weiter, dass die Bahn sich nicht ausreichend auf den heimischen Schienenverkehr konzentriere und noch immer 40 Prozent des Umsatzes im Ausland verdiene. Dem Bund würde, so der Bericht an den Bundestag, bei einer Auszahlung der Kapitalhilfen auch „Risiken aus bahnfremden und weltweiten Geschäftstätigkeiten übertragen“. Im Klartext: Der deutsche Steuerzahler müsse dann für die Fehler des Bahnvorstands bei dessen Auslandsgeschäften aufkommen. Das widerspreche, so der Bericht, dem grundgesetzlichen Auftrag, wonach der Bund nur den Ausbau und den Erhalt des Schienennetzes sowie des Zugverkehrs auf diesen Netzen gewährleisten darf.
Sorgen bereitet dem Bundesrechnungshof auch die Schuldenentwicklung der Bahn. Sie hat laut Bericht schon Ende 2019 mit 26,2 Milliarden Euro über der rechtlich verbindlichen Grenze gelegen, die der Bundestag auf 25,1 Milliarden Euro festgelegt habe. Durch Corona würden die Nettofinanzschulden der Bahn Ende des Jahres bei 32 Milliarden Euro liegen, knapp acht Milliarden über dem rechtlichen Limit. Damit wäre unsicher, ob die Bahn in der Lage sei, „dem künftig anfallenden Schuldendienst (Zinsen und Tilgung) fristgerecht und in voller Höhe nachzukommen“. Die Bahn wäre dann ein Dauersanierungsfall für den Bund. Die Kontrollbehörde kommt in ihren Bericht zum Fazit, dass es ein „Weiter so“ angesichts der sich in der Krise „nochmals verstärkt offenbarenden wirtschaftlichen Defizite und Fehlentwicklungen des Konzerns“ nicht mehr geben dürfe.
Die Bahn widersprach der Einschätzung der Kontrolleure: „Die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes sind schlicht falsch.“ Man habe den Bund transparent über die coronabedingten Schäden informiert. „Eine einwandfreie Mittelverwendung ist durch die entsprechenden Kontrollgremien jederzeit gewährleistet.“