Partei lässt Transfergesellschaft scheitern Der Ärger um Schlecker trifft die FDP

Berlin · An diesem Freitag werden die Kündigungen die 10.000 Mitarbeiter von Schlecker erreichen. Und der Ärger um das Scheitern der Verhandlungen um eine Transfergesellschaft bleibt – insbesondere in Bezug auf die FDP. Die politischen Gegner sehen parteipolitisches Kalkül hinter dem Nein der Liberalen. Die FDP aber gibt sich uneinsichtig.

Chronologie der Schlecker-Pleite
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An diesem Freitag werden die Kündigungen die 10.000 Mitarbeiter von Schlecker erreichen. Und der Ärger um das Scheitern der Verhandlungen um eine Transfergesellschaft bleibt — insbesondere in Bezug auf die FDP. Die politischen Gegner sehen parteipolitisches Kalkül hinter dem Nein der Liberalen. Die FDP aber gibt sich uneinsichtig.

Am Ende scheiterte die Auffanglösung für die Schlecker-Beschäftigten an Bayern. Nach der Absage von Niedersachsen und Sachsen, eine Bürgschaft zu übernehmen, hatte sich Baden-Württemberg dazu entschlossen, deren Anteil zu übernehmen. Doch es brauchte eine gewisse Grundsumme, um die Transfergesellschaft doch noch zu ermöglichen. Dann kam das Nein aus Bayern — und das Ende der Hoffnungen der Schlecker-Beschäftigten.

In allen drei Bundesländern war es die in der Regierung sitzende FDP, die der Auffanglösung nicht zustimmen wollte. Umso mehr müssen sich die Liberalen nun jede Menge Kritik gefallen lassen. "Man kann doch diesen Frauen nicht einfach die kalte Schulter zeigen", sagte etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident Manfred Kretschmann (Grüne) im ARD-Morgenmagazin. Und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte in der Sendung "Beckmann": "Ich bin stinksauer auf die FDP. Auf dem Rücken der Schlecker-Frauen will sie unbedingt Profil schmieden."

Das Beispiel Holzmann

Es sind Vorwürfe von parteipolitischem Kalkül, die die Liberalen in diesen Stunden erreichen. Denn die FDP kämpft ums politische Überleben. Schon bei der Kandidatensuche für das Bundespräsidentenamt hatte die Partei auf stur geschaltet und den Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, mitgetragen — und sich damit den Unmut der Union eingehandelt.

Zudem stehen in den nächsten Wochen wichtige Landtagswahlen wie in NRW oder Schleswig-Holstein an. Die FDP braucht endlich einen Erfolg, erst recht, nachdem sie auch im Saarland aus dem Landtag geflogen war. Die politischen Gegner sehen daher in der Entscheidung um Schlecker nichts anderes als eine Partei auf Profilierungssuche — auf Kosten von 10.000 Mitarbeitern.

Bei den Liberalen sieht man das naturgemäß anders. Die Liberalen handeln ganz nach dem Prinzip: Die Politik sollte sich nicht in den freien Markt einmischen. Und sie sehen in der Transfergesellschaft nur eine teure Scheinlösung, weil Experten die Aussichten für Schlecker nicht positiv sahen und sie sich auch an Beispiele der Vergangenheit erinnert sahen.

So hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 1999 sich eingemischt, als der Baukonzern Holzmann Insolvenz angemeldet hatte. Er hatte die Banken unter Druck gesetzt, die dann trotz anfänglicher Weigerung Teile ihrer Forderungen stornierten. Und der Bund steuerte auch noch Geld hinzu. Doch alles half nichts, Holzmann musste schließlich ein zweites Mal Insolvenz anmelden. Steuergelder versandeten.

Genau dieses Argument wird auch jetzt in Bezug auf Schlecker angewandt. "Die Menschen in diesem Land haben ein Anrecht darauf, dass staatliche Hilfen und damit ihre Steuergelder nicht nach Willkür und Gutsherrenart vergeben werden", zitiert Spiegel Online den bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil von der FDP. Und auch, als es um die Opel-Hilfen ging, wurde das Prinzip der freien Marktwirtschaft von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle befolgt, der sich gegen solche Hilfen einsetzte.

Brüderle: Staat ist nicht der bessere Unternehmer

Brüderle trat auch am Donnerstag freimütig vor die Kameras, nachdem die Verhandluntgen der Länder geplatzt waren. Es sei eine Grundhaltung, die die Liberalen pflegten, sagte er gegenüber den Tagesthemen. Und im Übrigen sehe er "Phänomene der Sozialdemokratisierung der CDU". Und der "Leipziger Volkszeitung" sagte er: "Der Staat darf in einer Sozialen Marktwirtschaft den Wettbewerb nicht aushebeln. Er ist nicht der bessere Unternehmer."

Auch FDP-Chef Philipp Rösler ließ sich von all der Kritik nicht in seiner Haltung erschüttern. Seine Partei habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass es einfacher für die Beschäftigten sei, auf die Bundesagentur für Arbeit zuzugehen. Er gab vielmehr Baden-Württemberg die Schuld, das Land habe bei den Mitarbeitern falsche Hoffnungen geweckt, "die jetzt enttäuscht werden".

Die Botschaft lautet: Wir haben alles richtig gemacht, wir sind die Partei mit dem Wirtschaftsprofil. Dementsprechend rührte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Otto Fricke, in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" die Werbetrommel für die Schlecker-Beschädftigten. Die Arbeitgeber im Einzelhandel hätten jetzt die Möglichkeit, schnell zu qualifizierten Beschäftigten zu gelangen, denn dort fehlten ja schließlich Kräfte. Ob allerdings die wirtschaftspolitische Botschaft der Liberalen auch bei den Wählern ankommt, das wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen — bei den Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein.

mit Agenturmaterial

(das)
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