Konjunktur-Vollbremsung Der Abschwung ist da

Düsseldorf (RPO). Der wirtschaftliche Abschwung ist in Deutschland angekommen - zumindest in den Köpfen. In den letzten Tagen und Wochen reihten sich die Hiobsbotschaften aneinander: Gewinnwarnungen, revidierte Wachstumsprognosen, steigende Arbeitslosigkeit. Das nächste Jahr dürfte zum Belastungstest für die hiesige Ökonomie und die Politik werden.

 Die deutsche Wirtschaft blickt pessimistischer in die Zukunft als gedacht.

Die deutsche Wirtschaft blickt pessimistischer in die Zukunft als gedacht.

Foto: ddp, ddp

An der Börse lässt sich die wirtschaftliche Entwicklung ablesen. Finanzkrise, Inflation und steigende Rohstoffpreise hinterlassen ihre Spuren. Nach Berechungen der Landesbank Baden-Württemberg drohen dem "Handelsblatt" zufolge bei den 30 DAX-Konzernen im laufenden Quartal Gewinneinbußen von mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Anstelle eines ursprünglich erwarteten Gewinnwachstums von 12 Prozent für das Gesamtjahr kalkulieren Analysten der internationalen Investmenthäuser nach Angaben des Finanzdatenspezialisten Ibes nun mit einem Minus von 7 Prozent.

Auch an anderer Stelle schlagen die Experten Alarm. Europa fällt dem Blatt zufolge auf breiter Front noch hinter die USA zurück. Nach den aktuellen Prognosen wäre sowohl das Wirtschafts- als auch das Gewinnwachstum der Unternehmen im Euroraum 2008 niedriger als in den USA, wo die Finanzkrise und der Wirtschaftsabschwung ihren Ausgang genommen haben. Für nächstes Jahr erwarten die befragten Experten nur noch ein Wachstum von 0,9 Prozent im Euroraum - nach 1,5 Prozent in diesem und 2,7 Prozent im vorigen Jahr.

Wirtschaftsexperten pessimistisch

Noch seien die Auftragsbücher der Firmen gut gefüllt, "aber es kommen nicht mehr so viele neue Aufträge herein, wie gewünscht", erklärte der Konjunkturforscher. Die Zukunftserwartungen der Unternehmen seien deutlich eingetrübt, das Wachstum werde sich verlangsamen. "Mit einer Rezession rechnen wir nicht", betonte Carstensen jedoch. 2009 werde die deutsche Wirtschaft etwa um 1 Prozent wachsen, schätzen ifo-Forscher.

"Für die nächsten eineinhalb Jahre sehen wir relativ wenig Potenzial richtig nach oben", erklärte Carstensen. "Die Erwartungen sind einfach schlecht." Konjunkturexperten machen eine ganze Reihe von Problemen für die Schwächephase verantwortlich. Dabei hätten die US-Immobilienkrise und die darauffolgende Finanzkrise zunächst keine großen Auswirkungen auf Deutschland gehabt, sagte Carstensen. "Viel schwerer wiegt der Anstieg des Ölpreises". Dieser belaste die Unternehmen und schwäche im Endeffekt auch den privaten Konsum.

"Im Winter ist der Aufschwung definitiv vorbei. Viele Firmen werden nach und nach Kapazitäten abbauen und auch Personal entlassen", wurde der ifo-Experte weiter zitiert. Erst kürzlich musste die Bundesagentur für Arbeit wieder leicht steigende Arbeitslosenzahlen melden.

Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall äußerte sich besorgt: "Die weltweite Konjunkturabkühlung trifft die Metall- und Elektroindustrie zunehmend stärker", sagte Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser der "Bild"-Zeitung. "In vielen Firmen reichen die Aufträge nur noch bis Jahresende." Die Unternehmen beurteilten die Auftragslage so schlecht wie seit zwei Jahren nicht.

Nachfrage nach deutschen Produkten sinkt

Mit diesen Problemen haben auch andere Länder zu kämpfen, was die deutsche Wirtschaft wiederum zu spüren bekommt. "Die Nachfrage nach deutschen Exportgütern fehlt und das spüren die Unternehmen nach und nach", erklärte Carstensen. Durch die hohe Ausfuhrquote profitiere Deutschland beim weltwirtschaftlichen Aufschwung stark, bekomme es aber auch zu spüren, wenn die Weltwirtschaft nicht mehr so rund läuft.

Besonders im Fahrzeugbau seien die Erwartungen für das kommende halbe Jahr sehr schlecht, sagte der ifo-Experte. Auch der Einzelhandel sehe wegen des geringen privaten Konsums schwarz. Darum sei in beiden Branchen ein Jobabbau nicht auszuschließen. Einen regelrechten Einbruch des deutschen Arbeitsmarktes erwarten die Forscher aber nicht. Der Aufwärtstrend werde zwar langsam zum Stehen kommen, es sei aber durchaus noch möglich, dass die Arbeitslosenzahl in den kommenden Monaten unter 3 Millionen sinke, meinte Carstensen.

Dennoch setzen die Experten nicht allzu große Hoffnungen in die Zuversicht der Verbraucher. Deren Einkommenszuwächse würden zum Großteil von der Inflation aufgefressen, sagte der ifo-Forscher. Der von Experten erwartete Preisrückgang beim Öl werde die Konsumenten nicht genügend entlasten. Auch wenn sie an den Zapfsäulen weniger zahlen müssten, stünden zugleich wieder Preiserhöhungen etwa beim Gas an. Zudem sei beim Öl kein drastischer Preiseinbruch zu erwarten.

Was tun?

Eine aktivere Geldpolitik, wie sie von den USA praktiziert wird, könnte in den Augen vieler Experten stimulierend wirken. Allerdings erscheint ein solcher Schritt sehr unwahrscheinlich, nachdem die EUropäische Zentralbank die Leitzinsen erst kürzlich angehoben hatte. Zwei Drittel der Teilnehmer einer Umfrage der "Financial Times Deutschland" rechnen mit einem konstanten Satz.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel sprach sich unterdessen für ein ökologisches Wachstumsprogramm aus. Bestandteil könnten Steuervorteile für Investitionen in Technologien sein, die Energie oder Ressourcen sparen hälfen, sagte der SPD-Politiker der "Welt" . Ein herkömmliches Konjunkturprogramm, wie es Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) ins Gespräch gebracht hatte, lehnte Gabriel ab.

Oskar Lafontaine, Fraktionschef der Linkspartei, forderte eine Stärkung der Masseneinkommen. Dies können durch die jetzt auch von der SPD und dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger geforderten Senkungen der Sozialbeiträge nur für Arbeitnehmer und höhere öffentliche Ausgaben in Bildung und Infrastruktur geschehen. Einen Vorschlag zur Finanzierung machte er allerdings nicht.

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