Dax-Veränderung Delivery Hero steigt wieder ab

Düsseldorf · Für den Berliner Essenszulieferer endet am Montag eine knapp zweijährige Mitgliedschaft im Deutschen Aktienindex. Der Kurs ist binnen zwölf Monaten um mehr als 70 Prozent abgestürzt. Die Strategie erscheint nicht schlüssig.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Es ist nicht der kürzeste Auftritt im Dax gewesen – den hatte 2009 der Versicherer Hannover Rück, der nur sechs Monate Mitgliedschaft in der obersten Liga der deutschen Börse hinbekam. Aber trotzdem ist auch die Geschichte von Delivery Hero im Dax nicht mehr als eine kurze Episode. 22 Monate lang gehörte der Berliner Konzern, der Online-Bestell- und Lieferplattformen für Mahlzeiten und Lebensmittel betreibt und im August 2020 an die Stelle des abgestürzten Finanzdienstleisters Wire­card gerückt war, zur Beletage. Am kommenden Montag ist vorerst Schluss, nach einem Kursabsturz von mehr als 70 Prozent innerhalb eines Jahres. Beiersdorf, das nach gerade mal drei Monaten Abwesenheit zurückkehrt, ersetzt Delivery Hero am kommenden Montag. 

Mit dem Aus für das Berliner Unternehmen endet eine Ära, die es nach Einschätzung von Experten nie hätte geben dürfen und die nach der Neuordnung des Dax im vergangenen Jahr auch nicht mehr möglich gewesen wäre. Denn Delivery Hero hat in seiner zwölfjährigen Geschichte noch kein einziges Mal Gewinn gemacht. Im Gegenteil: Der Verlust des Unternehmens für das vergangene Jahr betrug knapp eine Milliarde Euro. Womöglich haben angesichts dieser Zahlen und der Tatsache, dass unter dem Strich auch Gewinne in den kommenden Jahren fraglich sind, den Glauben an eine erfolgreiche Zukunft verloren.

Dabei schien Delivery Hero 2020 inmitten der Pandemie auf einem erfolgversprechenden Weg. Die Corona-Krise hatte damals das Geschäft angeschoben und den Aktienkurs des Unternehmens binnen drei Monaten um mehr als 20 Prozent steigen lassen. Die Menschen kauften immer mehr im Internet. Und das bestechend logisch klingende Kalkül: Je älter unsere Gesellschaft wird, umso stärker könnte auch die Zahl der potenziellen Kunden wachsen.

Nur dass man mit Wachstum allein ein Unternehmen eben nicht profitabel machen kann. Delivery Hero hat sich in den vergangenen Jahren in viele Unternehmen eingekauft, dafür 2019 sein Deutschland-Geschäft an den niederländischen Konkurrenten Take-away abgegeben, andererseits in großem Stil in Asien investiert, ohne dort wirklich erfolgreich zu sein, war in Teilen wieder in den deutschen Markt eingestiegen. Dann die erneute Kehrtwende: Im Dezember verkündete Delivery Hero, dass man das Geschäft unter der Marke Foodpanda angesichts der scharfen Konkurrenz durch Lieferando, Wolt, Uber Eats, Flink und Gorillas in Deutschland wieder einstellen werde.

Das Hin und Her hat die Glaubwürdigkeit der Konzernstrategie nachhaltig erschüttert. Delivery Hero habe mit seinem geschäftspolitischen Schlingerkurs Vertrauen der Anleger verspielt, stellt Cornelia Zimmermann fest, bei Deka Investment Spezialistin für Nachhaltigkeit und Corporate Governance. Die Entscheidung, sich aus dem deutschen Markt nach nur wenigen Monaten wieder zurückzuziehen, sowie die anhaltenden Verluste hätten den Aktienkurs weiter in den Keller befördert. „Umsatzwachstum alleine reicht uns schon länger nicht mehr, es müssen endlich Gewinne eingefahren werden“, sagt Zimmermann.

Wenigstens beim Vorsteuerergebnis (Ebitda) erwartet Delivery Hero ab dem kommenden Jahr tatsächlich schwarze Zahlen, aber das reicht so manchem Geldgeber eben nicht. Die Investoren wollen irgendwann auch mal Dividende sehen. Und mit einer möglichen Rückkehr in den Dax wird es vor 2024 definitiv auch nichts. Erst mal müssten zwei Geschäftsjahre mit Gewinn kommen.

Die veränderten Börsenregeln sind aus Sicht von Fachleuten eine gute Lösung. „Grrundsätzlich finde ich es richtig, dass die Deutsche Börse diesen „Verlustausschluss“ in ihr Regelwerk aufgenommen hat. Schließlich soll der Dax 40 ja die Top-Unternehmen Deutschlands umfassen“, sagt der unabhängige Finanzexperte Chris-Oliver Schickentanz. Diese sollten nachhaltig profitabel wirtschaften. „Das bedeutet natürlich, dass innovative Geschäftsmodelle erst zu einem späteren Stadium im Dax auftauchen werden. Das finde ich aber akzeptabel, da ja durchaus eine Mitgliedschaft in anderen Indizes nicht ausgeschlossen ist und eine Indexzugehörigkeit für mich alleine niemals als alleiniges Auswahlkriterium zählt“, so Schickentanz. Das Geschäftsmodell von Delivery Hero sei grundsätzlich aussichtsreich, allerdings habe sich der Wettbewerb durch die Pandemie massiv verschärft.

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