Insolvenzantrag vor zehn Jahren Das traurige Ende des Handelskonzerns Arcandor

Düsseldorf · Vor zehn Jahren musste der Handelskonzern Insolvenz anmelden. Er riss den Versandhändler Quelle und vorübergehend auch den Warenhausbetreiber Karstadt mit in die Tiefe. Immer noch laufen Klagen.

 Die Arcandor-Hauptverwaltung in Essen.

Die Arcandor-Hauptverwaltung in Essen.

Foto: dpa

Zu seinen großen Zeiten war der Manager Thomas Middelhoff dafür bekannt, dass er vollmundig große Ziele verkündete. „40 Euro plus x“ lautete 2008 sein Kursziel für die Aktie des Handelskonzerns Arcandor. Das Ende seiner Wunschträume ist bekannt: Kaum mehr als zwölf Monate später musste Arcandor Insolvenz anmelden. Damals war das Wertpapier schon zum sogenannten Penny Stock verkommen (Aktie, die weniger als einen Euro wert ist), hatten sich Middelhoffs hochfliegende Pläne zerschlagen. Der selbst ernannte Überflieger war zu diesem Zeitpunkt schon weg, sein bei der Telekom losgeeister Nachfolger Karl Gerhard Eick konnte nur noch den Scherbenhaufen zusammenkehren und an den Insolvenzverwalter übergeben. Trauriges Ende eines einstigen Handelsriesen.

 Die Arcandor-Aktie gibt es immer noch. Das Unternehmen ist zehn Jahre nach dem 9. Juni 2009, an dem es beim Amtsgericht Essen seine Zahlungsunfähigkeit offiziell eingestehen musste, eine Gesellschaft in Liquidation. Hans-Gerd Jauch, ein Bruder des TV-Moderators Günter Jauch, versucht als Insolvenzverwalter immer noch, zu Geld zu kommen, mit dem man Forderungen von Gläubigern befriedigen könnte.

Auif dem Weg dahin sind noch Klagen anhängig, an deren Hintergründe sich die meisten kaum noch erinnern werden. Beispielsweise beim Oberlandesgericht Hamm, das in der Klage des Insolvenzverwalters gegen ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte entscheiden muss. Die sollen im Zusammenhang mit dem Verkauf von fünf Häusern der Warenhaus-Tochter Karstadt in Potsdam, München, Karlsruhe, Leipzig und Wiesbaden 2001 und 2002 ihre Pflichten vernachlässigt haben. Dass das immer noch nicht entschieden ist, liegt daran, dass in den vergangenen zehn Jahren der zuständige Senat beim Oberlandesgericht Hamm dreimal neue besetzt wurde. An anderer Stelle geht es um Bonuszahlungen an und Flüge der Manager, wieder woanders um Klagen gegen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften.

Thomas Middelhoff nach dem Urteil im  November 2014.

Thomas Middelhoff nach dem Urteil im  November 2014.

Foto: AP/Frank Augstein

Dazu kommen Klagen anderer Personen, die im Arcandor-Geflecht eine Rolle spielen und spielten. Neben dem Insolvenzverwalter und Middelhoff sind dies vor allem die ehemalige Großaktionärin Madeleine Schickedanz, die einst öffentlichkeitswirksam beklagte, dass die Arcandor-Pleite sie in die Armut gestürzt habe, und der Immobilienunternehmer Josef Esch. Auch Jauch selbst wurde 16 mal verklagt, aber die Verfahren gingen stets zu seinen Gunsten aus. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. „Mindestens fünf Jahre werden wir bis zum Abschluss der Arcandor-Insolvenz-Verfahren noch brauchen“, hat Jauch jüngst der „Wirtschaftswoche“ gesagt. Bislang hätten Karstadt-Gläubiger rund fünf Prozent ihrer Forderungen erhalten.

Abseits dieser juristischen Auseinandersetzungen ist Arcandor in großen Teilen der Öffentlichkeit schon fast vergessen. Ein Unternehmen, das mal KarstadtQuelle hieß und in diesem Namen traditionsreiche Handelskonzerne vereinte. Aber Tradition allein macht keinen Erfolg. Karstadt-Quelle musste zu Beginn des Jahrtausends Umsatz- und Gewinneinbrüche hinnehmen, ehe im März 2007 die Namensänderung bekanntgegeben wurde. Was kam, war alter Wein in neuen Schläuchen. Middelhoff konnte das Ruder nicht rumreißen. Das Kunstwort Arcandor galt schnell als Beispiel für einen besonders missglückten Versuch, einen neuen Firmennamen einzuführen, weil der Name so manchen eher an die Würgeschlange Anakonda erinnerte. Dabei sollte er nach dem Willen der Namensschöpfer Assoziationen von Arkaden und Gold wecken.

Funktionierte aber nicht. Heute ist Karstadt das letzte namhafte Überbleibsel eines Handelsimperiums, in dem die Tochtergesellschaft vorübergehend) von ihrer Mutter in den Pleitestrudel gerissen wurde. Der Versandhändler Quelle brach als erster zusammen, dann kam Arcandor. Der gesunde Reiseanbieter Thomas Cook blieb verschont.

Die Warenhauskette Karstadt hat sich vor allem dank umfangreicher Sparmaßnahmen zumindest soweit erholt, dass sie nach Jahren des Dahinsiechens im neu geschaffenen Warenhaus-Bündnis mit dem einst deutlich stärkeren Kölner Konkurrenten Galeria Kaufhof den Ton angibt. Die Karstadt-Leute haben das Sagen in der Geschäftsführung, was etliche Galeria-Kaufhof-Mitarbeiter offenbar nichts Gutes ahnen lässt. Die Konsequenz: Viel mehr als bisher erwartet sind offenbar bereit, den Kölner Warenhaus-Betreiber gegen eine entsprechende Abfindung zu verlassen, weil ihnen das Vertrauen in das neue Management fehlt.

Karstadt als stärkerer Partner – das sah über Jahre hinweg ganz anders aus. Der deutsch-amerikanische Investor Nicolas Berggruen, der die Essener kaufte und so vor der Pleite bewahrte, wurde zunächst als Rettungsengel gefeiert und hernach doch wieder als Totengräber beschimpft. Denn der sehr kunstsinnige, aber umso weniger handelstüchtige Eigentümer weigerte sich beharrlich, Geld für notwendige Investitionen bereitzustellen. Dann kam der österreichische Immobilien-Tycoon René Benko mit seiner Gesellschaft Signa. Seither ist es ruhiger geworden bei Karstadt, ohne dass Spekulationen verstummen, Benko sei im deutschen Warenhaus-Geschäft in erster Linie an den Immobilien interessiert.

Benko, Berggruen, Middelhoff – Karstadt und Arcandor waren zweifelsohne in den vergangenen zwölf Jahren stets die Bühne für schillernde Figuren. Am meisten gilt das wohl für den ehemaligen Bertelsmann-Aufsteiger Middelhoff, dessen Absturz umso steiler war und seinen Tiefpunkt 2014 in einer Haftstrafe wegen Untreue zu Lasten von Arcandor hatte. Drei Jahre Gefängnis lautete seinerzeit das Urteil; seit etwas mehr als eineinhalb Jahren ist Middelhoff wieder auf freiem Fuß. Was nicht heißt, dass die Arcandor-Pleite für ihn abgearbeitet wäre. Nur, dass nach seiner Privatinsolvenz sein Insolvenzverwalter bei allen Verfahren mit am Tisch sitzt.

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