Schulz versus Cromme Das Duell bei ThyssenKrupp

Berlin (RP). Neue Kostenexplosion beim Stahlwerk in Brasilien, Milliardenverluste und eine quälende Diskussion um seine Nachfolge lähmen ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme lässt ihn zappeln.

 ThyssenKrupp-Chef Schulz warnt vor einer neuen Spekulationsblase.

ThyssenKrupp-Chef Schulz warnt vor einer neuen Spekulationsblase.

Foto: AP, AP

Während die Weltwirtschaft sich zaghaft von der schwersten Krise seit 80 Jahren erholt, rutscht ThyssenKrupp immer tiefer in den Sumpf. Vorstands-Chef Ekkehard Schulz wird am Donnerstag auf der Hauptversammlung wieder einmal von neuen Problemen beim Bau des neuen Giga-Stahlwerks in Brasilien berichten müssen.

 Auch der Aufsichtsratchef von ThyssenKrupp, Gerhard Cromme, zählt zu den Unterzeichnern.

Auch der Aufsichtsratchef von ThyssenKrupp, Gerhard Cromme, zählt zu den Unterzeichnern.

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Laut "Handelsblatt" sind die Kosten für das bislang wichtigste Investitionsprojekt in der Geschichte des Dax-Riesen inzwischen auf knapp sechs Milliarden Euro angeschwollen — ursprünglich veranschlagt waren einmal 1,3 Milliarden Euro. Ein Sprecher nannte die neue Zahl eine "Spekulation" und verwies auf die Rede, die Schulz morgen vor den Aktionären in der Bochumer Kongress-Halle hält.

Spannender als die offiziellen Verlautbarungen des Konzerns sind allerdings die schwelenden Konflikte hinter den Kulissen. Natürlich wird der mächtige Aufsichtsratschef Gerhard Cromme seinem Vorstandschef Donnerstag wieder das Vertrauen aussprechen und mit ihm in die Kameras lächeln. Bestimmt findet er auch ein gefälliges Wort für den 68-Jährigen, der das tragische Pech hat, dass sein letztes Amtsjahr mit der bislang schwersten Krise des Konzerns zusammenfällt — nach einer Dekade voller Erfolge.

Aber im Konzern heißt es, Cromme müsse sich für die bei ThyssenKrupp stets sorgsam inszenierte Solidarität inzwischen sehr zusammenreißen. Schulz wird es ähnlich gehen.

Auf der einen Seite steht der weltgewandte Harvard-Jurist Cromme (66), ein virtuoser Strippenzieher und ebenso kühler wie hochbegabter Stratege, der Charme per Knopfdruck versprühen kann. Auf der anderen Seite der bodenständige Ingenieur Schulz, dessen persönliche Integrität schon damals bei Thyssen vom Pförtner bis zum Großaktionär überall gut ankam.

Dass die beiden keine Freunde mehr werden, ist schon seit über zehn Jahren besiegelt. Damals wollte Krupp-Chef Cromme Thyssen feindlich übernehmen. Nur mit Mühe konnte Thyssen-Chef Schulz die Schlacht mit der Fusion zu ThyssenKrupp beenden. Folge: Cromme und Schulz wurden vom Markt in eine psychologisch heikle Doppelspitze gezwungen. Die führte zu absurden Formelkompromissen wie zum Beispiel ausgezählten Ansprachen bei Pressekonferenzen — auf dass bloß keiner länger rede als der andere.

Nach seinem Wechsel in den Aufsichtsrat war Cromme klug genug, Schulz im Tagesgeschäft walten zu lassen. Bis sich Anfang 2009 das Ausmaß der ThyssenKrupp-Krise abzeichnete. Seither ist Cromme im Düsseldorfer Dreischeibenhaus wieder allgegenwärtig, sitzt bei Sitzungen des erweiterten Vorstandes wie selbstverständlich am Tisch und dachte sich im März eine Schlankheits-Kur für ThyssenKrupp aus — während Schulz im Urlaub war.

Ziel der neuen Struktur: Cromme will durchgreifen können. Zwar respektiert er den Verdienst von Schulz, die Gräben zwischen Krupp und Thyssen geglättet zu haben. Aber er akzeptiert nicht den Preis: eine Firmenkultur voller träger Kompromisse.

Auch an anderer Stelle untergräbt Cromme die Autorität von Schulz. Der hatte stets durchblicken lassen, seine eigenen Leute bei der Suche nach einem Nachfolger nur ungern übergehen zu wollen. Stahlchef Edwin Eichler gilt als sein Favorit. Cromme lässt streuen, dass ein Neuanfang nur mit einem frischen Gesicht von außen machbar sei. Schulz will bis Anfang 2011 im Amt bleiben.

(RP)
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