Insolventer Reiseveranstalter Condor darf Thomas-Cook-Fluggäste nicht mehr ans Reiseziel bringen

London/ Frankfurt am Main · Zehntausende Menschen sind mit Thomas Cook im Urlaub. Nun hat der britische Reise-Riese den Betrieb eingestellt. Die Folgen spüren auch Touristen aus Deutschland. Im Raum steht ein 200-Millionen-Euro-Kredit der Regierung.

 Ein Passagierflugzeug der deutschen Thomas-Cook-Airline Condor startet vom Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt (BER). (Archivfoto)

Ein Passagierflugzeug der deutschen Thomas-Cook-Airline Condor startet vom Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt (BER). (Archivfoto)

Foto: dpa/Patrick Pleul

Hunderttausende Urlauber sitzen fest, andere können ihre Reise nicht antreten: Die Pleite des britischen Reisekonzerns Thomas Cook wirbelt die Pläne Reisender durcheinander und hat auch Folgen für deutsche Urlauber. Europas zweitgrößter Tourismuskonzern stellte am Montag den Betrieb mit sofortiger Wirkung ein. Die deutsche Tochter mit den Marken Thomas Cook, Neckermann, Öger Tours, Air Marin und Bucher Reisen stoppte den Verkauf von Reisen. Urlauber, die am Montag oder Dienstag aufbrechen wollten, dürfen von der Tochter Condor nicht mehr befördert werden.

Mit der deutschen Thomas Cook sind nach Unternehmensangaben derzeit 140.000 Gäste unterwegs. Am Montag und Dienstag sollten 21.000 Menschen in ihren Urlaub abreisen. Die deutsche Thomas Cook GmbH erklärte, man könne nicht gewährleisten, dass gebuchte Reisen mit Abreisedatum 23. und 24. September stattfinden. Der Ferienflieger Condor darf Urlauber, die mit Thomas-Cook-Veranstaltern gebucht haben, nicht mehr an ihr Ziel bringen. Reisende, die planmäßig nach Hause fliegen wollten, werden von dem Ferienflieger befördert.

Condor hält den Flugbetrieb planmäßig aufrecht. Die Fluggesellschaft beantragte von der Bundesregierung aber einen staatlich verbürgten Überbrückungskredit, um „Liquiditätsengpässe“ zu verhindern. Dabei soll es sich um rund 200 Millionen Euro handeln, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr.

Die deutsche Thomas Cook lotet nach eigenen Angaben derzeit letzte Optionen aus. „Sollten diese scheitern, sieht sich die Geschäftsführung gezwungen, für die Thomas Cook GmbH, Thomas Cook Touristik GmbH, die Bucher Reisen & Öger Tours GmbH und möglicherweise auch weitere Gesellschaften Insolvenzantrag zu stellen“, teilte das Unternehmen mit.

Die Bundesregierung erklärte über Twitter, sie verfolge die Lage aufmerksam. Zugleich betonte sie, „Thomas Cook Deutschland und Condor operieren derzeit weiter und führen weiterhin Rückflüge durch. Reisenden, die eine Reise erst noch antreten, wird empfohlen, sich an ihren Reiseveranstalter zu wenden.“

Dem britischen Reisekonzern Thomas Cook war das Geld ausgegangen. Das Unternehmen stellte am frühen Montagmorgen deshalb den Betrieb mit sofortiger Wirkung ein. Allein aus Großbritannien sind etwa 150.000 Urlauber im Ausland betroffen. Die britische Regierung wollte einem BBC-Bericht zufolge noch am Montag mindestens 14.000 Reisende in ihre Heimat zurückbringen. Die größte britische Rückholaktion in Friedenszeiten hat den Namen „Aktion Matterhorn“. Die Luftfahrtbehörde CAA teilte mit, sie habe eine Flugzeugflotte bereit gestellt, um Urlauber nach Großbritannien zurückzuholen.

Noch bis Sonntagabend hatte der britische Konzern mit Investoren über eine zusätzliche Finanzierung in Höhe von 200 Millionen Pfund (226 Mio Euro) verhandelt. Thomas Cook-Chef Peter Fankhauser bezeichnete das Scheitern der Bemühungen als „verheerend“. Der chinesische Mehrheitseigner Fosun äußerte sich „enttäuscht“ über den Insolvenzantrag des Reiseveranstalters.

Der britische Verkehrsminister Grant Shapps verteidigte die Entscheidung der Regierung, den Reisekonzern nicht mit einer großen Finanzspritze vor der Pleite zu retten. „Ich fürchte, das hätte sie nur für eine sehr kurze Zeit über Wasser gehalten“, sagte Shapps der BBC. Das Unternehmen habe grundlegende Probleme in Zeiten, in denen immer mehr Menschen ihre Reisen online buchen. Sowohl die Opposition als auch Gewerkschaften kritisierten die Regierung.

Das Unternehmen hatte die Regierung nach Angaben von Premierminister Boris Johnson um eine Finanzierungshilfe über 150 Millionen Pfund (knapp 170 Mio Euro) gebeten. Andere Quellen, die sich auf Regierungsangaben beriefen, gingen von 250 Millionen Pfund aus. Die britische Transportgewerkschaft TSSA machte die Regierung dafür verantwortlich, dass die weltweit 21.000 Mitarbeiter, davon 9000 in Großbritannien, ihre Jobs verlieren.

Thomas Cook war in den vergangenen Jahren immer wieder in Schieflage geraten. Bereits im Jahr 2012 retteten mehrere Banken den Konzern mit frischem Geld nach immensen Abschreibungen auf das britische Geschäft und IT-Systeme. Auch dadurch sitzt Thomas Cook auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzt unter der hohen Zinslast. Der jüngste Preiskampf im Reise- und Fluggeschäft kam erschwerend hinzu, ebenso anhaltende Unsicherheit rund um den Brexit, die die Urlaubsfreude der britischen Kundschaft dämpft.

Die Pleite hat Folgen für beliebte Urlaubsregionen. In Griechenland sind etwa 50.000 Thomas-Cook-Urlauber gestrandet. Die ersten 15 Flugzeuge für die Menschen seien organisiert, teilte das griechische Tourismusministerium mit. In den kommenden drei Tagen sollen demnach rund 22.000 Touristen zurückgeholt werden.

Sorgen bereiten den Hoteliers in Griechenland vor allem die noch ausstehenden Zahlungen des Konzerns. „Es wird unvermeidlich zu Ausfällen kommen“, sagte Tourismusminister Charis Theocharis dem griechischen Fernsehsender Skai. Sein Ministerium wolle einen Plan ausarbeiten, damit Griechenland nach dem Zusammenbruch des Unternehmens keine Marktanteile verliere.

Beim belgischen Ableger des Reiseveranstalters Thomas Cook geht der Betrieb vorerst weiter, wie eine Sprecherin der Nachrichtenagentur Belga zufolge sagte. Beim niederländischen Zweig waren Neubuchungen seit Montag nicht mehr möglich. Von der Pleite sind auch Zehntausende Skandinavier betroffen. Insgesamt befänden sich 34.460 Kunden an verschiedenen Reisezielen, teilte der Reiseanbieter Ving, eine Thomas-Cook-Tochter, mit.

(zim/chal/dpa)
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