Folgekosten des Straßenbahn-Debakels weiter unklar "Combinos" werden für Siemens zum Bremsklotz

Erlangen (rpo). Siemens kann den finanziellen Schaden durch die aus dem Verkehr gezogenen Niederflur-Straßenbahnen "Combino" weiterhin nicht abschätzen. Die Rheinische Post hatte am Dienstag berichtet, dass Reparatur und Umbau der 400 weltweit zurück gerufenen Bahnen erheblich mehr kosten als geplant. Darüber hinaus hätten mehrere Verkehrsbetriebe durch die Ausfälle erhebliche Probleme.

"Zu den finanziellen Auswirkungen können wir derzeit nichts Genaues sagen, das wäre reine Spekulation", sagte eine Sprecherin von Siemens Transportation Systems (TS) am Dienstag in Erlangen.

Die Rheinische Post zitiert aus einem internen Bericht des Unternehmens, wonach alle Combinos mit Ausnahme des Räderwerks völlig neu gebaut werden müssen. Grund: Der Aufbau der Straßenbahnen sei falsch konstruiert, Einstürze der Fahrzeug-Dächer seien nicht auszuschließen.

Siemens hat bislang mitgeteiligt, dass die Probleme mit den Combinos das Ergebnis des Konzernbereichs Transportation Systems im zweiten Quartal mit 296 Millionen Euro belasteten. Die Sprecherin sagte, Siemens arbeite bereits parallel an einem Nachfolgeprodukt für den Combino. Dies sei jedoch nicht gleichbedeutend mit einem Produktionsstopp.

Große Teile der Flotte liegen still

Derzeit liegen große Teile der Combino-Flotte deutschlandweit still, weil Siemens Einstürze der Fahrzeug-Dächer nicht ausschließen kann. Siemens hatte seine Kunden im März aufgefordert, sämtliche Niederflurbahnen mit einer Laufleistung von mehr als 120.000 Kilometern sofort aus dem Betrieb zu nehmen. Der Firmensprecherin zufolge sind derzeit weniger als hundert Bahnen stillgelegt. Ein Krisenteam von 170 Experten arbeitete mit Hochdruck an einer Lösung des Problems, versicherte der Konzern.

Verkehrsbetriebe in Städten wie Erfurt, Ausgburg, Düsseldorf oder Potsdam stehen unterdessen vor dem Problem, ihren Straßenbahnbetrieb trotz der Ausfälle aufrecht zu erhalten. "Wir haben die alten, teilweise ausgemusterten Bahnen wieder in Betrieb genommen", sagte der Sprecher der Rheinbahn Düsseldorf. Nach der vorübergehenden Stilllegung seien derzeit zwar alle Combinos wieder im Einsatz.

"Über den Schaden wird noch zu reden sein"

Dennoch entstehen den Rheinländern nach eigenen Angaben durch die ständigen Ausfälle aufgrund der vorgeschriebenen Überprüfungen weitere Kosten. "Über den Schaden wird noch zu reden sein", sagte der Sprecher mit Blick auf die Verhandlungen mit Siemens. Bei einem Stückpreis von rund zwei Millionen Euro hofft die Rheinbahn bei Siemens auf Kulanz. Der Konzern hat den Düsseldorfern versprochen, in der zweiten Junihälfte eine Lösung zu präsentieren.

Auch die Freiburger Verkehrs-AG (FVAG) konnte vorübergehend auf alte Bahnen aus dem Jahr 1971 zurückgreifen, auch wenn sie teilweise die Fahrer noch auf die alte Technik umschulen mussten. Dabei hatten sie noch Glück im Unglück: Vier der alten Bahnen sollten bereits verkauft sein, der Käufer konnte jedoch nicht zahlen, sagte ein Sprecher der Verkehrsbetriebe. Daraufhin wurde die Verkehrsleittechnik aus den Combinos aus- und in die alten Bahnen eingebaut. "Das ist jedoch kein Zustand, der sich lange hält", betonte der Sprecher. Siemens hat den Freiburgern versichert, die Bahnen bis Juli risikofrei einsetzen zu können. Bis garantiert sei, dass die Bahnen die übliche Nutzungsdauer von 35 Jahren durchhalten, will die FVAG die Annahme der neun bereits bestellten Combinos verweigern.

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