Angeblich seit 100 Jahren die gleiche Mixtur Coca-Cola und der Hype ums Originalrezept
Atlanta · Coca-Cola wird angeblich seit über 100 Jahren nach dem Originalrezept hergestellt. Auch andere Firmen berufen sich darauf, dass man seit Ewigkeiten nach ein und derselben Formel produziere. Auf dem Spiel steht schließlich ein milliardenschweres Markenimage.
Rotes Laserlicht umspielt den stählernen Safe, Überwachungskameras haben alles im Blick. Doch auf Meisterdiebe kann man lange warten, die Monitore zeigen nur lächelnde Touristen, die sich gegenseitig zuwinken.
"Es steckt schon ein wenig Show dahinter", räumt ein Wärter im World-of-Coca-Cola-Museum in Atlanta ein. Dort steht der Safe, der das angeblich seit 127 Jahren unveränderte Rezept für das braune Erfrischungsgetränk hütet.
Das Tamtam um die Coke-Rezeptur hat dazu beigetragen, das Erfrischungsgetränk in eine milliardenschwere Marke zu verwandeln. Entsprechend großen Wert legt das Unternehmen denn auch auf die Feststellung, dass das Rezept ein ehrwürdiges, unveränderbares Dokument sei. Aber ist das tatsächlich so?
Firmen würden immer wieder einmal die Zutaten verändern, sei es wegen veränderter Vorschriften, weil sich die Rohstoffpreise verändert hätten oder aus anderen Gründen, sagt John Ruff, früher beim Lebensmittelkonzern Kraft Foods für Forschung und Entwicklung zuständig.
"Die Geheimrezeptur hat schon fast eine mythische Anmutung", so Ruff. "Es würde mich schon wundern, wenn sich die Rezepturen (großer Marken) nicht verändert hätten."
Den Bart weiß gefärbt
Kentucky Fried Chicken (KFC) beispielsweise hält sich nach eigenen Angaben noch immer streng an das Rezept, das Firmengründer Harland Sanders 1940 kreierte. Die Fast-Food-Kette hat schon früh begriffen, wie wichtig Marketing ist - so färbte Sanders extra seinen charakteristischen Bart weiß, um einem vertrauenswürdigen Großvater zu ähneln.
Es kann durchaus sein, dass KFC die generellen Anweisungen des - ebenfalls durch einen Safe geschützten - Rezepts befolgt. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass sich Sanders nach seinem Ausstieg 1964 sehr über die neuen Eigner ärgerte: Sie entwickelten nämlich einen einfacheren Weg, das Hühnchen von Bratfett zu befreien.
Doch wurde bei dieser Methode nach Sanders' Ansicht das Huhn beschädigt. Die neuen Eigner machten Sanders zufolge das Huhn ungenießbar, weil sie "einen Schlegel nicht von einem Schweineohr unterscheiden können", wie es in einem Buch heißt, das Dave Thomas geschrieben hat, Gründer der Burgerkette "Wendy's" und ein Freund von Sanders.
Bei KFC hat man das Thema abgehakt. Ein Firmensprecher sagt, die zentralen Bestandteile des Rezepts seien die Gewürzmischung, dass man frisches Huhn mit Knochen verwende, die Zubereitung der Panade von Hand und das eigentliche Braten.
In seinem Buch "Die Coca-Cola-Story" erzählt Autor Frederick Allen, wie sich das Coke-Rezept im Laufe der Jahre verändert hat. So habe die Limonade früher viermal so viel Koffein enthalten wie heute und darüber hinaus - wegen der Blätter der Kokapflanze - auch minimale Spuren von Kokain. Bei Coca-Cola heißt es, seit seiner Erfindung 1886 sei die Geheimformel nie verändert worden. Und das Kokain? Kokain sei niemals ein Zusatz gewesen, so das Unternehmen.
Maisstärkesirup statt Zucker
Auch beim Wettbewerber Pepsico ist man stolz auf die Gründergeschichte. Seit zwei Jahren findet deswegen die Jahreshauptversammlung des Konzerns im Städtchen New Bern statt, wo Caleb Bradham Ende der 1890er-Jahre angeblich die Limonade entwickelte, die später als Pepsi zur Weltmarke aufstieg. Aber das Rezept wurde 1931 verändert, denn dem neuen Eigner gefiel der Geschmack nicht.
Und in den 1980er-Jahren stiegen sowohl Coca-Cola als auch Pepsi von Zucker auf Maisstärkesirup um, einen preisgünstigeren Süßstoff. Die grundlegende Formel und der Geschmack änderten sich dadurch nicht, beeilten sich beide Firmen zu beteuern - und arbeiteten weiter am Hype um die Originalrezepte.
So tauchte im Frühjahr ein Amerikaner auf, der behauptete, eine Kopie der Coca-Cola-Formel gefunden zu haben, und nun online einen Käufer für die Rezeptur suchte. Bei Coca-Cola war man begeistert von der Medienaufmerksamkeit, das Unternehmen stellte seinen Firmenhistoriker für Interviews zur Verfügung.
Auch über den Rückschlag von 1985 redet man inzwischen bei Coca-Cola wieder gerne. 1985 ging das Unternehmen mit der "New Coke" an den Start, einer süßeren Cola, die die Original-Coke ablösen sollte.
Nach großem Protestgeschrei der Firma verschwand "New Coke" wieder aus den Läden. Der Fall zeige, wie sehr die Verbraucher das Original liebten, heißt es heute bei Coca-Cola. Es sei das einzige Mal gewesen, dass man je eine Änderung an der Formel versucht habe.
Und so wird es auch im World-of-Coca-Cola-Museum erzählt, in das rund eine Million Besucher pro Jahr strömen. "Das Geheimnis zu schützen heißt, die Magie am Leben zu erhalten", steht auf einer Plakette an einem Ausstellungsstück.