Jack Ma Chinas Internet-Star erobert die Wall Street

Düsseldorf · 1999 gründete der arbeitslose Englisch-Lehrer den heutigen Online-Riesen Alibaba und plant nun den größten Börsengang aller Zeiten. In China gilt Ma als Popstar.

 Jack Ma versteht es, sich gekonnt in Szene zu setzen.

Jack Ma versteht es, sich gekonnt in Szene zu setzen.

Foto: DPA / Chinafotopress

Wenn einer der reichsten Männer Chinas seine Mitarbeiter zur Jahresparty bittet, dann kündigt sich eine Riesen-Sause an: Der Chef des Online-Riesen Alibaba wirft sich ins Schneewittchenkostüm oder ins Lady-Gaga-Outfit und trägt derart verkleidet zur Belustigung seiner Untergebenen bei. Auch durch solche Auftritte hat sich ein gewisser Ma Yun in China den Rang eines Rockstars erarbeitet.

Und diesem Exzentriker wollen Investoren am 19. September wohl mehr als 18 Milliarden Euro geben. Dann nämlich bringt Ma Yun, der sich für westliche Ohren den Namen Jack Ma auf die Visitenkarten geschrieben hat, seinen Konzern an die New Yorker Börse. Damit wird er alle Rekorde brechen, die Facebooks Mark Zuckerberg oder sonst wer vor ihm aufgestellt hat. Eine größere Neuemission gab es nie weltweit. Und selten auch einen derart schillernden.

Jack Ma (49) hat in China eine Karriere hingelegt, wie Amerikaner sie lieben. Eine Tellerwäscher-Geschichte vom arbeitslosen Englisch-Lehrer, der an der Uni zweimal durch die Aufnahmeprüfung gefallen war, zu einem der reichsten Männer des Landes. Die Schätzungen seines Vermögens reichen von 8,8 Milliarden bis 16,8 Milliarden Euro. Ma hat die Milliarden mit seinem Internet-Imperium Alibaba erwirtschaftet.

Dabei hatte er 1995 noch nicht einmal einen Computer zu Gesicht bekommen. Aber er interessierte sich für das Unbekannte, die Haupteigenschaft eines Visionärs. Als China noch an der Kulturrevolution arbeitete und sich sehr zaghaft dem Westen öffnete, lernte Ma als Jugendlicher schon Englisch. Nach fünf Jahren gab er in der ersten Hälfte der 90er Jahre seine Tätigkeit als Englisch-Lehrer auf. Ma hatte keinen Job, als er 1995 eine Handelsdelegation auf eine Reise in die USA begleitete und dort erstmals mit Computern und dem Internet in Berührung kam.

Er war fasziniert und erkannte die Chancen. Als er nach China zurückkehrte gründete Ma sein erstes, noch erfolgloses Unternehmen. 1999 folgte Alibaba.com. Insgesamt 18 Gründer, ausgestattet mit einem Startkapital von 60.000 US-Dollar (46.000 Euro), arbeiteten in Mas Wohnung im ostchinesischen Hangzhou. Von dort aus erklärte Ma den Chinesen die Vorzüge des Internets. Und er kann verkaufen, Leute überzeugen. Zum Firmenimperium gehören heute die Handelsplattformen Taobao und Tmall, der Online-Bezahldienst Alipay. Firmensitz ist noch immer Hangzhou. Alibaba kontrolliert ungefähr 80 Prozent des chinesischen E-Commerce, dessen Volumen bei 300 Milliarden Dollar liegt.

Gestern begann an der New Yorker Wall Street die Roadshow, die Balz um reiche Investoren. Privatanleger reagieren noch verhalten. Auch Anlegern in Deutschland gibt Ma Rätsel auf. Sie sind es gewohnt, dass eine Aktie ein mit Rechten ausgestatteter Anteilsschein ist. Dass Ma es mit seinem Börsengang aber nicht darauf abgesehen hat, sich einen bunten Blumenstrauß an Anleger-Interessen in den Konzern zu holen, daraus macht der in China als Popstar Verehrte auch keinen Hehl. Für ihn gilt der Dreiklang: "Die Kunden kommen zuerst, die Mitarbeiter als zweite und dann die Aktionäre." Ganz unverblümt hat er diese Vorstellung in einem Brief zum Börsenprospekt veröffentlicht. Investoren, unken Börsianer, sind für Alibaba Cashcows.

So wird auch die Führungsriege weiter strukturiert bleiben. Die Macht konzentriert sich an der Spitze: Ma ist Chef des Verwaltungsrats, aus dem operativen Geschäft hat er sich zurückgezogen. In diesem Gremium aber bestimmt er zusammen mit Partnern mehr als die Hälfte der Mitglieder. Investoren haben nicht viel zu sagen. "Für deutsche Anleger ist es unheimlich schwer, einzuschätzen, was in China los ist", sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

Kurz glaubt nicht, dass deutsche Anleger in der ersten Stunde zum Zuge kommen werden. Auch wenn die Deutsche Bank als Platzierungshelfer fungiere, werde das US-Interesse schlicht zu groß sein. "Die Aktie wird stark überzeichnet sein", sagt Kurz. "Wenn man das Unternehmen schwer einschätzen kann, dann sollte man abwarten, wie der Markt es einschätzt, und dann nach ein bis zwei Monaten reingehen."

Es gab schon einmal Aktionäre, die Ma enttäuscht hat. 2007 ging Alibaba in Hongkong an die Börse und nahm 1,5 Milliarden Dollar ein. Ein Jahr später sank der Kurs ins Bodenlose. Ma nahm seine Anteile für Kleingeld zurück, die Aktionäre hatten verloren.

Diesmal aber, so die Botschaft, ist es die Wall Street. Nicht Hongkong.

(RP)
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