Stress-Ranking der Unternehmen Burnout belastet NRW-Wirtschaft

Düsseldorf · Eine Untersuchung zeigt, wie stark Mitarbeiter von Konzernen durch zu viel Arbeit und Stress belastet sind. In NRW liegen Eon und ThyssenKrupp vorne beim Stressranking, doch auch RWE, Henkel und Bayer sind betroffen. Fast alle Unternehmen legen Programme für psychische Gesundheit auf.

Überlastung im Job? Zumindest Vodafone-Chef Fritz Joussen hat damit wenig zu tun. Der 49-Jährige ist grundsätzlich gut gelaunt, geht auch einmal vor 20 Uhr nach Hause — und im Herbst gibt er den Job an der Konzernspitze freiwillig auf: Weil eine Beförderung in die Londoner Weltzentrale nicht ansteht, schaut er sich nach neuen Möglichkeiten um — und wenn er sich dann einige Monate überwiegend um Hobbys und Familie kümmert, stört ihn das nicht. "Ich brauche neue Herausforderungen."

So gut wie Joussen geht es keineswegs allen Beschäftigten in den großen Unternehmen Nordrhein-Westfalens. Immer mehr Mitarbeiter großer Unternehmen erkranken am Burn-out-Syndrom. Nach einer Studie des wissenschaftlichen Instituts der AOK hat sich die Zahl der burn-out-bedingten Arbeitsunfähigkeitstage in deutschen Unternehmen seit 2004 verneunfacht.

Und eine neue Untersuchung der privaten Klinikkette Asklepios, die das Manager Magazin nun veröffentlicht hat, zeigt: In allen acht Dax-Konzernen der Region leiden drei bis fünf Prozent der Mitarbeiter an Überlastung, neudeutsch Burn-out, wegen beruflichem oder privatem Stress. Die Werte haben die Mediziner auf Basis ihrer stationären Patienten geschätzt. "Burn-out ist ein Riesenthema in fast allen größeren Firmen", bestätigt die Psychologin Rosemarie Bender von der Hürther Beratungsfirma Personal-Transfair, "Immer öfter leiden Mitarbeiter unter dem Druck immer höherer Erreichbarkeit, höherem Tempo oder auch unklarer Aufgabenverteilung."

Am schlechtesten schneidet in dem Vergleich ausgerechnet Eon ab. Rund fünf Prozent der 35 000 Beschäftigten des Energiekonzerns können als ausgebrannt definiert werden. Das sind bis zu 2500 Fälle pro Jahr. Vor allem Umstrukturierungen machen den Mitarbeitern zu schaffen. Die Energiewende führt dazu, dass kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Nun wächst bei den Beschäftigten die Sorge, einer von 6000 zu sein, deren Job bald gestrichen wird.

Zuletzt kündigte Eon an, 1200 Stellen im Rechnungs- und Personalwesen zu kippen und weitere 1100 Stellen nach Rumänien und Berlin zu verlegen, wo Billiglohn-Töchter gegründet werden sollen. Eons Gesundheitsmanager Matthias Hansch gibt zu: Seit Anfang 2008 seien rund zehn Prozent der Krankheitstage auf psychische Belastungen zurückzuführen. Eon will gegensteuern, indem es Führungskräfte in Seminaren schult, auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu achten und Stress zu reduzieren.

Umstrukturierung erzeugt Druck, und der ist branchenübergreifend einer der Hauptgründe für den psychischen Stress, der zum Burn-out führt. Deshalb sind vor allem Führungskräfte des mittleren Managements betroffen, nicht die Unternehmensspitzen. "Verändern ist nicht so stressig wie verändert werden", sagt Thomas Kley vom Institut für angewandte Innovationsforschung der Ruhr-Universität Bochum.

Das hat zum Beispiel auch Olaf Koch erkannt, neuer Chef des Metro-Konzerns, bei dem drei Prozent der Mitarbeiter jährlich an Burn-out erkranken. "Die Organisation ist es leid, ständig umorganisiert zu werden", sagte Koch über die sehr wichtige Sparte "Cash & Carry" und kündigte an: "Unter anderem deshalb arbeiten wir an einer neuen Kultur für das Gesamtunternehmen. Im Dialog wollen wir eine Struktur schaffen, die auf viele Jahre Bestand hat."

Beim Düsseldorfer Chemiekonzern Henkel sind die Probleme ebenfalls da. 3,6 Prozent der Mitarbeiter sind jährlich von der Erkrankung betroffen. Dabei trat das Unternehmen schon vor Jahren dem betrieblichen Netzwerk "Unternehmen für Gesundheit" bei und unterzeichnete 2002 eine entsprechende Erklärung zur Gesundheitsförderung. Heute erarbeitet bei Henkel ein Gesundheits-Komitee Gesundheits-Programme — auch zum Stress-Management.

Ein werksärztlicher Dienst und die zentrale Abteilung "Soziale Dienste", an die sich Mitarbeiter vertraulich wenden können, sollen Mitarbeitern Hilfestellungen geben und "in die Lage versetzen, Krisensituationen zu bewältigen sowie die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten und zu pflegen", wie es in einem internen Bericht heißt.

Vodafone-Chef Fritz Joussen hinterlässt seinen Mitarbeitern nach seinem Abschied ein ganzes Programm mit dem Namen "Work & Life Services". Darin heißt es in einem Punkt für Führungskräfte: "Familienbewusste Führung" werde angestrebt. Es gibt Teilzeitarbeit, individuelle Beratung und auch den guten, alten Betriebssport.

(RP/csi/jre/rm)
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