Schuldenkrise im Euro-Raum Berlin stützt Euro mit 190 Milliarden

Berlin/Brüssel (RP). Deutschland bürgt für den neuen dauerhaften Rettungsschirm ESM mit 168 Milliarden Euro. Zusätzlich zahlt der Bund 22 Milliarden Euro in den Hilfsfonds für notleidende Euro-Staaten ein. Bundeskanzlerin Merkel will auf dem EU-Gipfel heute eine Streckung dieser Bareinzahlung durchsetzen.

Der Euro-Rettungsschirm ESM
Infos

Der Euro-Rettungsschirm ESM

Infos
Foto: dpa, Boris Roessler

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder holen heute zum großen Wurf aus: Sie wollen ein ultimatives Gesamtpaket an Maßnahmen beschließen, das alle Zweifel der Kapitalanleger am Fortbestand der Europäischen Währungsunion beseitigt. Dazu wird unter anderem ein neuer permanenter Hilfsmechanismus für überschuldete Staaten geschaffen.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll den bis Mitte 2013 befristeten Rettungsschirm EFSF ablösen. Deutschland schultert für den ESM Garantien und Bareinzahlungen von insgesamt 190 Milliarden Euro. Wir geben Antworten zu den wichtigsten Fragen.

Was kann auf den deutschen Steuerzahler schlimmstenfalls zukommen?

Der bis Mitte 2013 wirksame kurzfristige Rettungsschirm EFSF soll effektiver werden, seine Kapazität soll deutlich ausgeweitet werden (siehe "Eckpunkte des Rettungspakets"). Die Folge für Deutschland: Die Garantiesumme erhöht sich von gut 120 Milliarden auf mehr als 200 Milliarden Euro.

Wenn ab 2013 der dauerhafte Krisenmechanismus ESM seine Arbeit aufnimmt, wird es richtig teuer. Berlin muss knapp 22 Milliarden Euro bar einzahlen. Dies erhöht direkt die Neuverschuldung des Bundes. Hinzu kommen neue Garantien und abrufbares Kapital von 168 Milliarden Euro für den ESM.

Auch am gesonderten Hilfspaket für Griechenland ist Deutschland mit Bürgschaften von gut 22 Milliarden Euro beteiligt. Sollte Griechenland umschulden müssen, könnten diese Bürgschaften wirksam werden: Der Bund müsste dann einen Anteil der Verluste der Gläubiger Griechenlands ausgleichen.

Zu den größten Gläubigern zählen zudem staatliche deutsche Banken, allen voran die Hypo Real Estate (HRE). Müsste sie auf Forderungen verzichten, würde das den Bund zusätzlich belasten — und damit Steuerzahler-Generationen.

Wird die Euro-Zone Transferunion?

Ja. Das Grundprinzip der Währungsunion, wonach jedes Land seine Schuldenprobleme selbst lösen muss (entsprechend der so genannten "No-Bailout"-Klausel im bisherigen EU-Vertrag) wird im Prinzip ausgehebelt. Jeder Schuldensünder kann sich künftig auf die Rettung verlassen — und damit auch die Märkte.

Um dies juristisch wasserdicht zu machen, setzte Deutschland eine Änderung im EU-Vertrag durch. Damit sind Hilfen der Partner für Pleitekandidaten erlaubt, wenn die Euro-Zone als Ganzes bedroht ist. Die Hilfen sind aber an strikte Sanierungsprogramme gebunden.

Da die Rettungsschirme EFSF und ESM Anleihen im Namen aller Staaten begeben, sind gemeinsame Euro-Anleihen indirekt längst Realität.

Was ist der zentrale Kritikpunkt an dem Gesamtpaket?

Fast alle Ökonomen halten eine Umschuldung Griechenlands in den nächsten Monaten für unabdingbar. Für dieses Szenario jedoch trifft der EU-Gipfel keine eindeutigen Verabredungen. Bis Mitte 2013 bleibe jedes Land selbst verantwortlich, sollte es einen Schuldenschnitt anstreben, hieß es in Regierungskreisen.

Die Beteiligung privater Gläubiger ist bis dahin nicht klar geregelt. Auch danach bleibt die Beteiligung Privater an der Euro-Rettung vage: Zunächst müssen die EU-Staaten gemeinsam feststellen, dass ein Land von der Pleite bedroht ist. Hat es nur Liquiditätsprobleme, sollen sich Banken und Fonds nur freiwillig an einer Umschuldung beteiligen müssen.

Erst in einer zweiten Stufe, wenn eine Insolvenz festgestellt wird — was unwahrscheinlich ist — werden Opfer der Privaten obligatorisch.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort