Planen Merkel und Sarkozy Schuldenschnitt für Griechenland? Berlin dementiert Absprache mit Frankreich

Berlin (RPO). Die Bundesregierung hat einen Bericht dementiert, dass sich Deutschland und Frankreich auf eine Absprache in der Schuldenkrise verständigt hätten. So hatte die "Welt am Sonntag" berichtet, Deutschland akzeptiere einen flexibleren Euro-Rettungsschirm EFSF, während Frankreich einen Schuldenschnitt für Griechenland mittrage.

Fragen und Antworten zum Banken-Stresstest im Juli 2011
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Foto: dapd

"Eine solche Absprache gibt es nicht", erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag aus Regierungskreisen in Berlin. Tatsächlich hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erst vergangenen Dienstag vor einem Schuldenschnitt und einer Insolvenz Griechenlands sowie den verheerenden Folgen gewarnt.

Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy treffen sich am Sonntagabend in Berlin, um ihre Haltungen über die Arbeitsweise des EFSF und das weitere Vorgehen in der Bankenkrise zu besprechen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit Blick auf die schlechte Wirtschaftsentwicklung in Griechenland, "möglicherweise sind wir im Juli von einem zu geringen Prozentsatz der Schuldenreduktion ausgegangen".

Schäuble bezieht sich dabei aber auf den Anteil, den private Gläubiger an einem zweiten Griechenland-Hilfspaket freiwillig tragen sollen, nicht auf einen generellen Schuldenschnitt beziehungsweise eine Insolvenz Griechenlands. Hier herrscht weitgehend Einigkeit in der Euro-Gruppe, dass die Zahlen für das zweite Griechenland-Hilfspaket erneut überprüft werden müssen, wenn die Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission ihr Urteil über die Schuldentragfähigkeit Griechenlands vorgelegt hat.

Die "Welt am Sonntag" berichtete unter Berufung auf "das Umfeld der Verhandlungen", Frankreich rücke von seiner bisherigen Haltung ab, eine größere Umschuldung Griechenlands hinzunehmen. Frankreichs Banken wären davon aber wegen der größeren Höhe an gehaltenen Griechenland-Staatsanleihen stärker betroffen als deutsche Konkurrenten. Der Zeitung zufolge soll Sarkozy im Gegenzug gefordert haben, dass der EFSF zur Refinanzierung angeschlagener Staaten und Banken der Euro-Zone Zugriff auf Gelder der Europäischen Zentralbank (EZB) erhalten solle. Das wiederum hat die Bundesregierung bislang strikt abgelehnt.

Merkel und Sarkozy müssen sich auch bei der Rekapitalisierung angeschlagener Banken und bei der Überarbeitung der europäischen Verträge einigen. Die Kanzlerin hatte sich vergangene Woche offen für Vorschläge aus dem Internationalen Währungsfonds (IWF) gezeigt, dass allen Banken eine höhere Eigenkapitalquote vorgeschrieben werde. Während Deutschland darauf pocht, dass Banken zunächst versuchen sollen, sich selbst zu rekapitalisieren und erst dann die Euro-Staaten sowie im Notfall am Ende der EFSF einspringt, möchte Frankreich einen schnelleren Einsatz des EFSF ermöglichen.


Friedrich gegen Griechenland-Rausschmiss

Unterdessen hat CSU-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vor den Folgen eines Rausschmisses Griechenlands aus der Euro-Währungsunion gewarnt. In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" sagte der CSU-Politiker: "Wenn man Griechenland aus der Euro-Gemeinschaft entfernt, würde das sofort eine große Ansteckungsgefahr für die anderen Euro-Länder bedeuten. Das muss man wissen", sagte Friedrich.

Wichtiger sei es deshalb, jetzt die Frage zu stellen: "Welche Möglichkeiten gibt es, Griechenland im Rahmen der Euro-Gemeinschaft handlungs- und wettbewerbsfähig zu machen. Das kann mittelfristig möglich sein", sagte Friedrich. Ob es gelinge, werde die Zukunft zeigen.

US-Experte: Krise wird Europa viel Geld kosten

Der US-Volkswirt Maurice Obstfeld befürchtet, dass die Schwierigkeiten der Kreditinstitute die europäischen Steuerzahler viel Geld kosten könnten. "Wir stecken mitten in einer ausgewachsenen Bankenkrise", sagte der Wissenschaftler aus Berkeley der "Welt am Sonntag". Die griechische Krise sei inzwischen die Schuldenkrise aller Europäer.

Wenn Europas Regierungen die Banken mit neuem Geld versorgen müssten, "ist kein Land mehr sicher. Dann sind die öffentlichen Finanzen überall betroffen", sagte Obstfeld. Der Ökonom plädierte dafür, den Banken zu helfen, um sie für eine Pleite Griechenlands zu wappnen. Die hält er für unausweichlich: "Griechenland braucht eine Insolvenz. Das Land wird seine Schulden niemals bezahlen können."

Bankenverband übt Selbstkritik

Angesichts der anhaltenden Finanzmarktkrise zeigt der Bundesverband Deutscher Banken Selbstkritik. "Unbeliebt sind wir, weil wir Fehler gemacht haben. Und weil die krisenhaften Entwicklungen der letzten Jahre zu Sorgen bei den Menschen geführt haben", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Bankenverbandes, Michael Kemmer, der "Leipziger Volkszeitung". Er versicherte aber zugleich: "Die Fehler sind erkannt und zumeist behoben; an einigen Themen sind wir noch dran, wie etwa die Eigenkapitaldecke zu stärken", sagte Kemmer.

Aus der Krise 2008, in deren Zentrum die Finanzinstitute standen, seien die richtigen Schlussfolgerungen in Sachen Regulierung und Stärkung des Bankensektors gezogen worden. "Nun sind wir gefordert, die richtigen Lösungen für die Staatsverschuldung und die Finanzpolitik in Europa zu finden. Ich bin optimistisch, dass auch dies gelingt. Das braucht aber alles seine Zeit."

Die deutschen Banken seien stabil. "Sie haben ihre Hausaufgaben Aus der Krise 2008, in deren Zentrum die Finanzinstitute standen, seien die richtigen Schlussfolgerungen in Sachen Regulierung und Stärkung des Bankensektors gezogen worden. "Nun sind wir gefordert, die richtigen Lösungen für die Staatsverschuldung und die Finanzpolitik in Europa zu finden. Ich bin optimistisch, dass auch dies gelingt. Das braucht aber alles seine Zeit."

(RTR/dapd/AP)
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