Aktie auf Talfahrt Bayers Glyphosat-Vergleich wackelt

New York · Es sollte der Befreiungsschlag im Glyphosat-Streit sein, nun äußert ein wichtiger US-Richter Bedenken gegen Teile des Vergleichs. Die Anleger reagierten nervös, die Bayer-Aktie verlor sieben Prozent.

 Der Unkrautvernichter Glyphosat.

Der Unkrautvernichter Glyphosat.

Foto: dpa/Haven Daley

Glyphosat und kein Ende: Bayer steht vor einem möglichen Rückschlag bei einem Teil seines milliardenschweren Vergleichs in den USA. Die Aktie verlor am Dienstag zeitweise sieben Prozent, nachdem der zuständige US-Bezirksrichter Zweifel an dem Vergleichsvorschlag für den Umgang mit künftigen Klagen äußerte. Das Gericht sei skeptisch hinsichtlich der Angemessenheit und Fairness dieses Vorschlags und sei vorläufig geneigt, den Antrag abzulehnen, erklärte Richter Vince Chhabria. Der Richter ist nicht irgendwer: Bei ihm sind zahlreiche Klagen gebündelt. Er hatte dem Leverkusener Konzern schon in der Vergangenheit zugesetzt.

Bayer teilte mit, der Konzern nehme die Bedenken ernst und werde diese bei einer Anhörung am 24. Juli adressieren.

Der Agrarchemie- und Pharmakonzern hatte Ende Juni nach langem Tauziehen bekanntgegeben, sich im Rechtsstreit wegen des angeblich krebserregenden Unkrautvernichters Roundup in den USA mit einem Großteil der Kläger geeinigt zu haben. Die Klagewelle hatte sich Bayer mit der 59 Milliarden Euro teuren Übernahme des US-Konzerns Monsanto eingehandelt. Für den Vergleich und mögliche künftige Fälle werden bis zu 10,9 Milliarden Dollar fällig.

Der Vereinbarung für mögliche künftige Klagen, für die 1,25 Milliarden reserviert sind, muss der US-Bezirksrichter Chhabria noch zustimmen. Im Zuge dieser Vereinbarung soll eine Gruppe möglicher künftiger Kläger gebildet und ein unabhängiges Wissenschaftsgremium eingerichtet werden, das entscheiden soll, ob und zu welchen Mengen der glyphosathaltige Unkrautvernichter Roundup Krebs verursacht. Sowohl die Gruppe möglicher künftiger Kläger als auch das Unternehmen selbst sollen an die Entscheidung des Gremiums gebunden sein. Diese dürfte rund vier Jahre in Anspruch nehmen. Solange sollen die künftigen Kläger keine Ansprüche geltend machen und Schadenersatz fordern dürfen.

Bayer hatte zuvor diese ungewöhnliche Konstruktion begrüßt, weil die Frage, ob Glyphosat schädlich sei, an ein wissenschaftliches Gremium gegeben werde. In Prozessen vor Geschworenen-Jurys hatte Bayer zuvor dreimal verloren. Richter Chhabria äußerte nun aber Bedenken gegen die ungewöhnliche rechtliche Konstruktion. Es sei fraglich, ob es rechtmäßig sei, die Entscheidungsbefugnis über die Gefahren von Roundup von Richtern und Jurys an eine Gruppe von Wissenschaftlern zu übergeben. Chhabria stellte auch infrage, ob potenzielle Kläger an die Entscheidung des vorgeschlagenen Wissenschaftsgremiums gebunden bleiben möchten, wenn die Forschung in der Sache noch nicht abgeschlossen ist und später womöglich zu einem anderen Ergebnis kommt. Die Anhörung für den Antrag auf die vorläufige Genehmigung des Vergleichs solle wie geplant am 24. Juli stattfinden, auch wenn beim Gericht viele Forderungen nach einer Verschiebung eingegangen seien.

Bayer setzt bei dem Vergleichsvorschlag für künftige Kläger darauf, dass das Gremium der Bewertung der weltweiten Regulierungsbehörden folgt. Behörden weltweit, darunter die US-Umweltbehörde EPA und die Europäische Chemikalienagentur, haben das Herbizid als nicht krebserregend eingestuft. Allein die Krebsforschungsagentur IARC bewertete den Wirkstoff 2015 als „"wahrscheinlich krebserregend". Auf diese Einschätzung beriefen sich die Kläger. Der Konzern verlor in den USA drei Glyphosat-Prozesse in erster Instanz. Dabei sahen es die mit Laien besetzten Jurys als erwiesen an, dass von dem Unkrautvernichter ein Krebsrisiko ausgeht.

(anh/rtr)
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