Streit um Pflanzenschutzmittel Glyphosat Bayer rüstet sich für Klagewelle

Leverkusen · Am 25. Februar startet der Prozess von Ed Hardeman gegen Bayer, der Glyphosat für seine Krebserkrankung verantwortlich macht. Es ist der erste aus dem Massenverfahren gegen den Konzern. Die Bedeutung ist groß.

Die Vorverhandlungen laufen seit Wochen, doch am 25. Februar ist es soweit: Dann startet am Bundesgericht in San Francisco der Prozess von Ed Hardeman, der den Unkrautvernichter Glyphosat für seine Lymphdrüsenkrebs-Erkrankung verantwortlich macht und Bayer-Monsanto verklagt hat. Beide Seiten fahren zahlreiche Experten auf. Richter Vince Chhabria entscheidet derzeit unter anderem darüber, welche davon er für das Verfahren zulässt. Hardeman ist einer von 9300 Klägern. Doch sein Fall zieht besondere Aufmerksamkeit auf sich, weil er der erste einer größeren Zahl von Fällen ist, die in einer sogenannten Multi-District-Litigation (MDL) gebündelt sind.

„Eine Multi-District Litigation ist keine Sammelklage. Es ist ein Mittel zur Bündelung einer größeren Zahl ähnlicher Fälle, die vor Bundesgerichten anhängig sind“, betont Mark Behrens, dessen Kanzlei Shook, Hardy & Bacon früher für Bayer gearbeitet hat, aber nicht bei Glyphosat vertritt. Dabei würden Schritte gebündelt durchgeführt, die vor dem eigentlichen Prozessbeginn anstehen – wie relevante Teile der Beweiserhebung und Zeugenvernehmungen. Wichtig am Fall Haderman: Er gilt als sogenannter „Bellwether-Fall“. Dessen Ausgang ist rechtlich nicht bindend für andere Prozesse, gibt aber Hinweise. Behrens: „Ein Bellwether-Fall soll den Parteien und dem Gericht ein besseres Verständnis über die Erfolgsaussichten anderer Fälle in der MDL geben.“

Vereinfacht lässt es sich vielleicht so sagen: Kann Bayer im Hardeman-Prozess überzeugen, sinken die Risiken für den Konzern insgesamt. Kann Bayer dagegen nicht überzeugen, könnte womöglich sogar die Klagewelle anschwellen. Bayer-Chef Werner Baumann hatte bereits im Dezember angekündigt, dass die Zahl der Kläger über die bislang genannten 9300 gestiegen sei. Bei der Bilanz-Vorstellung am 27. Februar will Bayer den aktuellen Stand nennen.

In den vergangenen Monaten haben die Aktienmärkte oft nervös auf Wendungen in den Glyphosat-Prozessen reagiert. Die Aktie hat seit August ein Drittel an Wert verloren. Damals war die Aktie abgestürzt, weil eine Geschworenen-Jury Bayer zur Zahlung von 289 Millionen Dollar Schadenersatz an den Hausmeister Dewayne Johnson verurteilte. Die Richterin senkte später die zu zahlende Summe, hielt aber an dem Schuldspruch fest. Nun ist Bayer in der Berufung. Der krebskranke Amerikaner – oder seine Erben – werden erst Geld sehen, wenn das Verfahren durch die letzte Instanz ist. Sein Fall ist eine der vielen Individualklagen.

Bei den Klagen geht es stets um zwei Fragen: Ist Roundup, das glyphosathaltige Mittel von Monsanto, ursächlich für die Krebserkrankung? Und hätte Monsanto das wissen und die Nutzer warnen müssen? Daher werden die Prozesse auch zu einer Schlacht um Dokumente, die beide Seiten einreichen dürfen. Dabei geht es etwa um Dokumente von Wissenschaftlern und interne E-Mails von Monsanto.

Glyphosat wird seit 40 Jahren als Unkrautvernichter in der Landwirtschaft eingesetzt, um etwa Böden vor der Aussaat unkrautfrei zu bekommen. Behörden hatten es weltweit immer wieder zugelassen. Als Bayer sich anschickte, den US-Konzern zu übernehmen, gab es vereinzelt Klagen. Aber Bayer rechnete nicht mit großen Problemen. Doch nachdem die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation das Mittel 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte, sammelte die US-Klageindustrie immer neue Fälle. Die Klagewelle begann, noch bevor Monsanto die Schlüssel an den neuen Hausherren aus Leverkusen übergeben hatte.

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