Interview Barbara Kux über Siemens Solarausstieg

Düsseldorf · Barbara Kux, Einkaufsvorstand Von Siemens, spricht im Interview mit unserer Redaktion über den Austieg von Siemens aus der Solarenergie und die Entwicklungen der Firma hin zu grünen Geschäften.

Demonstration des Bundesverbandes Solarenergie
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Siemens will der führende grüne Konzern in Deutschland sein - und steigt aus der Solarenergie aus. Wie passt das zusammen?

Kux: An unserer grünen Ausrichtung ändert sich nichts — auch nicht durch die Entscheidung, sich vom Solargeschäft zu trennen. Das Solargeschäft macht nur einen ganz geringen Anteil an unserem Umweltporfolio aus. Der mit Abstand größte Teil entfällt auf Energieeffizienz. Aber auch unsere grünen Geschäfte müssen die Rendite-Anforderungen erfüllen. Es geht nicht nur um die Umwelt, sondern auch um geschäftlichen Erfolg. Grüne Geschäfte müssen sich rechnen.

Siemens-Chef Löscher hat vor wenigen Jahren die Solarenergie als wesentliches Wachstumsfeld bezeichnet. Nun steigt er auch aus der Wüstenstrom-Initiative Desertec aus.

Kux: Die Rahmenbedingungen haben sich komplett geändert. Viele Länder, die Solarenergie nutzen und Investitionen planten, stecken wegen der Schuldenkrise in Europa oder den Umbrüchen in Nordafrika in einer Rezession. Doch auch ohne Solargeschäft sind wir ein grüner Konzern mit rasantem Wachstum. Bei den erneuerbaren Energieen sind wir zum Beispiel der größte Offshore-Windanlagen-Hersteller der Welt, und die Windenergie ist mit vielen Milliarden Teil unseres Umweltportfolios. Bei Solar war es dagegen nur ein kleinerer Millionenbetrag.

Verraten Sie ein paar Zahlen. Wie stark wächst Siemens im grünen Bereich?

Kux: 2011/2012 hat Siemens mit seinen grünen Geschäften einen Umsatz von 33,2 Milliarden Euro gemacht, das sind zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Das Wachstum im Konzern insgesamt lag bei sieben Prozent. Für unsere Arbeit haben wir im Dow Jones Sustainability Index den Titel "Nachhaltigstes Industrieunternehmen" erhalten. Das ist eine Art Oscar der Nachhaltigkeit — der Spitzenplatz in einem Feld von über 200 internationalen Unternehmen.

Was ist der Treiber?

Kux: Zwei Drittel unserer grünen Geschäfte entfallen auf Produkte, die die Energie-Effizienz steigern, etwa auf Gebäudetechnik und neue Stromerzeugungstechnik. So liefern wir den Stadtwerken Düsseldorf eine Turbine, mit der ihr Gas- und Dampfkraftwerk einen Wirkungsgrad von 61 Prozent erzielt — das ist Weltrekord. Im Durchschnitt kommen Anlagen in Deutschland nur auf einen Wirkungsgrad von rund 38 Prozent.

Wo kann Siemens selbst grüner werden?

Kux: Wir prüfen stets, ob wir noch klimaschonender arbeiten können. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für unsere Wirtschaftlichkeit. Zudem helfen wir unseren Lieferanten, effizienter zu werden.

2008 sind Sie als Einkaufsvorstand angetreten. Was haben Sie erreicht?

Kux: Ich habe dafür gesorgt, dass ein globales Einkaufsnetzwerk entsteht, das nach den neuesten Erkenntnissen arbeitet. Dazu gehörten die Bündelung des zentralen Einkaufsvolumens, die Reduzierung der Lieferanten und eine intensivere Zusammenarbeit mit unseren Vorzugslieferanten sowie ein stärkerer Einkauf in den Schwellenländern. Insgesamt konnten wir so in den vergangenen vier Jahren einen höheren einstelligen Milliardenbetrag sparen.

Damit haben Sie sich im Konzern nicht nur Freunde gemacht. Wird deshalb Ihr Vertrag, der Ende 2013 ausläuft, nicht mehr verlängert?

Kux: Wenn man eine zentrale Einkaufsorganisation aufbaut und zum Erfolg führt, macht man sich nicht überall beliebt. Das liegt in der Natur der Sache. In einer Matrixorganisation entsteht zwangsläufig ein konstruktiver Dialog, der aber dazu führt, gemeinsam einen Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen. Ich habe meinen Auftrag bei Siemens zu großem Erfolg geführt und da war es nur konsequent, dass ich vorgeschlagen habe, diese Funktion jetzt aus der Zentrale in die Verantwortung der geschäftsführenden Einheiten zu verlagern, denn da liegt der Hebel für nächste Erfolge auf der heute erreichten Ausgangsbasis.

Wird es nach Ihnen einen neuen Einkaufsvorstand geben?

Kux: Ich spreche derzeit mit meinen Vorstands-Kollegen darüber, wie wir meine Aufgaben künftig auf mehrere Schultern verteilen können. Und bis November 2013 bin ich noch mit voller Kraft dabei.

Was machen Sie danach?

Kux: Ich gehe auf die 60 zu und möchte meine langjährige internationale Managementerfahrung künftig in Aufsichtsfunktionen von Unternehmen einbringen.

Vielleicht im Aufsichtsrat von ThyssenKrupp, der wie der Siemens-Aufsichtsrat von Herrn Cromme geführt wird?

Kux: Sie werden sicher zu gegebener Zeit von meinen Zukunftsplänen erfahren.

Es gibt nur wenige Frauen in Dax-Vorständen. Nun gehen auch Sie. Finden Sie das nicht schade?

Kux: Ich war die erste Frau in einem Industrie-Konzern im Dax. Inzwischen sind andere gefolgt. Aber auf diese Perspektive kommt es mir nicht an. Ich wollte nicht beweisen, dass eine Frau diesen Job beherrscht, sondern ich wollte die Nachhaltigkeit im Unternehmen verankern und den Einkauf von Siemens gut managen. Beides ist gelungen, und darauf kommt es an.

Hat es Sie gestört, dass Siemens 2008 offensiv damit geworben hat, mit Ihnen nach 161 Jahren erstmals eine Frau in den Vorstand zu holen?

Kux: Nein, denn es entsprach ja der Wahrheit. Ich war bei Siemens eine Pionierin - so, wie schon häufig zuvor.

Was raten Sie jungen Frauen, die Karriere machen wollen?

Kux: Machen Sie eine gute Ausbildung, nutzen Sie ohne Furcht die Chancen, die sich Ihnen bieten — und geben Sie nie auf.

Siemens hat in der Vergangenheit oft mit Korruptionsskandalen zu kämpfen gehabt. Das Einkaufsressort ist dafür anfällig. Was haben Sie zur Korruptionsbekämpfung getan?

Kux: Es ist richtig, dass es im Bereich Zulieferung ein höheres Risiko für Compliance-Verfehlungen gibt. Aber wir stellen an unsere Einkäufer und an unsere Lieferanten hohe Anforderungen. Das funktioniert. In den vergangenen vier Jahren haben wir keinen nennenswerten Compliance-Fall gehabt.

Gelten Ihre Standards auch in Ländern, in denen Bestechung üblich ist?

Kux: Unsere Standards gelten unabhängig davon, ob die Lieferanten aus Industrie- oder Entwicklungsländern stammen. Nur saubere Geschäfte sind Siemens-Geschäfte. Bei Ländern, in denen wir ein höheres Risiko für Compliance-Verfehlungen sehen, schauen wir natürlich besonders hin.

Welche Länder sind das?

Kux: Nur so viel: Weltweit widmet man dem Thema Nachhaltigkeit mehr Aufmerksamkeit - und zur Nachhaltigkeit gehören auch saubere Geschäftsmethoden.

JAN DREBES UND ANTJE HÖNING FÜHRTEN DAS GESPRÄCH. DIE LANGFASSUNG DES INTERVIEWS FINDEN SIE UNTER WWW.RP-ONLINE.DE/WIRTSCHAFT

(RP)
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