Verspätungen und Zugausfälle Bahn zahlt Kunden 53,6 Millionen

Düsseldorf · 2,7 Millionen Fahrgäste haben 2018 wegen Verspätungen von einer Stunde und mehr Geld vom Staatskonzern zurückerhalten. Die Rekordsumme dürfte künftig noch steigen.

 ICE-Züge auf dem Berliner Hauptbahnhof. (Archiv)

ICE-Züge auf dem Berliner Hauptbahnhof. (Archiv)

Foto: dpa/Christoph Soeder

Das Verspätungschaos bei der Deutschen Bahn kommt den Staatskonzern teuer zu stehen. 2018 habe die DB an 2,7 Millionen Reisende eine Entschädigungssumme von insgesamt 53,6 Millionen Euro für Kunden im Nah- und Fernverkehr gezahlt, sagte eine Bahnsprecherin. Die Summe lag 55 Prozent über der bisherigen Rekordsumme: 2017 hatte die Bahn 34,6 Millionen an ihre Kunden zahlen müssen.

Als Gründe nannte die Sprecherin zum einen witterungsbedingte Ursachen, wie Sturm „Friederike“ oder die ausgeprägte Trockenheit im Sommer, die zu mehreren großen Böschungsbränden geführt habe. „Der  Brand eines ICE-Zuges im Oktober zog eine wochenlange Streckensperrung und viele Verspätungen auf der wichtigen Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt/Main nach sich.“ Auch den Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft im Dezember sei Ursache für massive Verspätungen und Ausfälle gewesen, die zahlreiche Entschädigungszahlungen nach sich gezogen haben.

Die Bahn nimmt bei den Entschädigungszahlungen eine Sonderrolle ein: Während Fluglinien und Fernbusunternehmen bei höherer Gewalt – also beispielsweise bei Wetterkapriolen – die Zahlung einer Entschädigung ablehnen können, ist die Bahn aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2013 zur Zahlung verpflichtet. Ganz gleich, ob sie etwas für die Verzögerung kann oder nicht. Die EU-Kommission hatte zwar versucht, mit der Neuordnung der Fahrgastverordnung einen Passus für höhere Gewalt aufzunehmen, war aber im EU-Parlament gescheitert.

Der Fahrgastverband Pro Bahn plädierte für einen erneuten Anlauf: „Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass wir Fahrgastrechte haben“, sagte der Ehrenvorsitzende von Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, unserer Redaktion. „Allerdings dürfen sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Busanbieter und Airlines können sich auf höhere Gewalt berufen, für die Bahn ist das nicht möglich. Da sollte es europaweit einheitliche Regelungen geben, um gleiche Bedingungen für alle zu schaffen.“

Aus Sicht des Kunden sei allerdings nicht die Zahlung einer Entschädigung das Entscheidende, sagte Naumann. „Viel wichtiger ist, dass der Betroffene an sein Ziel kommt. Und zwar bis auf den letzten Meter.“ Wer in einer ländlichen Gegend wohne und wegen eines verspäteten Zuges die letzte Busverbindung verpasse, der bekomme viel zu häufig zu hören, dass es sich um unterschiedliche Beförderungsverträge handele und ihm deshalb nicht geholfen werden könne. „Wenn man Probleme mit dem Daimler oder BMW mit der Lichtanlage bekommt, sagt ja die Vertragswerkstatt auch nicht: ,Wenden Sie sich gefälligst an Bosch.‘ Da muss dringend nachgebessert werden“, forderte Naumann.

Für die Bahn dürfte Entschädigungssumme in den kommenden Jahren noch weiter steigen. Einerseits arbeitet sie derzeit daran, dass Entschädigungssystem zu vereinfachen. Bislang müssen diese umständlich auf dem Postweg oder über ein Reisezentrum beantragt werden. Künftig soll dies auch elektronisch gehen. Zum anderen ist das EU-Parlament mit dem Rat der Mitgliedsstaaten in Verhandlungen, die Rechte der Fahrgäste zu stärken: Dann soll bereits ab einer Stunde Verspätung der halbe, ab eineinhalb Stunden dreiviertel und ab zwei Stunden der volle Fahrpreis erstattet werden.

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