Mehdorn in Bedrängnis Bahn-Datenaffäre weitet sich aus

Berlin/Düsseldorf (RP). Sämtliche Mitarbeiter des Schienenkonzerns waren im Jahr 2005 in einem Datenabgleich auf Bestechlichkeit überprüft worden ­ ohne konkreten Verdacht. Bahn-Chef Mehdorn bestreitet, davon etwas gewusst zu haben. In einem Brief an die Belegschaft gesteht er erstmals Fehler ein.

Die Fehler des Bahn-Chefs
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Foto: AP

In der Datenschutzaffäre bei der Bahn gerät Vorstandschef Hartmut Mehdorn immer weiter in Bedrängnis. Wie erst jetzt bekannt wurde, überprüfte die Bahn nach eigenen Angaben im Jahr 2005 die komplette Belegschaft, rund 220.000 Beschäftigte, auf Korruptionsverdacht. Das sei das Ergebnis einer Befragung Mehdorns vor dem vierköpfigen Aufsichtsrats-Prüfungsausschuss am vergangenen Freitag, schreibt Verkehrsstaatssekretär Achim Großmann an die 20 Mitglieder des Bahn-Aufsichtsrats. Wer diese Untersuchung in Auftrag gegeben habe, "konnte von uns nicht ausreichend geklärt werden".

Die anwesenden Vorstände, neben Mehdorn auch Finanzchef Diethelm Sack, bestritten nach Worten Großmanns die Kenntnis des "Screenings." Der sachlich zuständige Leiter Konzernrevision war bei der Befragung nicht anwesend, "obwohl ich darum gebeten hatte", wie Großmann schreibt. Kurz vor Bekanntwerden des Komplett-Screenings hatte Mehdorn erstmals Fehler in der Datenschutz-Affäre eingestanden.

In einem Brief an die Belegschaft drückte er sein Bedauern über die Vorgänge aus. Wenn durch die Massen-Überpfüung "der Eindruck entstanden sein sollte, der Vorstand misstraue den Mitarbeitern, dann bedauere ich dies ausdrücklich", schreibt Mehdorn in einem per E-Mail verschickten Rundbrief an die Mitarbeiter. "Wir waren übereifrig, und es gab eine falsch verstandene Gründlichkeit."

Bereits vor einer Woche war bekannt geworden, dass 173.000 Bahn-Mitarbeiter, damals drei Viertel der Belegschaft, in den Jahren 2002 und 2003 auf Verbindungen zu externen Firmen überprüft worden waren. Dabei wurden Adressen sowie Telefon- und Kontodaten per Computer abgeglichen. In keinem Fall wurden Mitarbeiter oder Betriebsräte informiert.

Nach Darstellung der Bahn wurden Mitarbeiter in beiden Fällen "in einer vergleichbaren Größenordnung überprüft", also jeweils drei Viertel der Mitarbeiter. "Dies ist keine Salamitaktik, sondern entspricht dem natürlichen Gang sehr schwieriger Ermittlungen", sagte Mehdorn gestern. Der Vorstand sei mit dem Fortschritt der Ermittlungen in der Datenaffäre selbst "nicht zufrieden".

Trotz seiner Aufklärungsbemühungen steht dem Bahn-Chef eine Reihe weiterer Befragungen bevor. Nach Informationen unserer Zeitung wollen sich zunächst die Chefs der Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA, Alexander Kirchner und Klaus-Dieter Hommel, morgen mit Mehdorn zu einer Aussprache treffen. Darüber hinaus soll Mehdorn in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung voraussichtlich zu Beginn der kommenden Woche Rede und Antwort stehen. Anlass der Sondersitzung ist dem Vernehmen nach der "verunglückte" Auftritt Mehdorns vor dem Prüfungsausschuss am Freitag.

Am kommenden Mittwoch will der Bundestags-Verkehrsausschuss die mutmaßlichen Hauptverantwortlichen in der Datenaffäre, die Leiter Konzernrevision und Konzernsicherheit, befragen. Die FDP erwägt, zusätzlich auch den Bahn-Vorstandschef einzuladen. Am 18. Februar muss sich Mehdorn, der seit knapp zehn Jahren den Bahn-Konzern führt, zum zweiten Mal dem Prüfungsausschuss stellen. Man wolle erfahren, wer für die stillen Überwachungsaktionen über Jahre hinweg letztlich verantwortlich sei, verlautete es aus Regierungskreisen. Zur Nachfolgediskussion hieß es, diese Frage stelle sich "noch" nicht. Ein faires Vorgehen gebiete es, die Prüfung des Falles abzuwarten.

Tiefensee erneuerte gestern seine Kritik: "Es dauert zu lange, und es kommt nicht konsequent ans Tageslicht." Der FDP-Verkehrspolitiker Horst Friedrich forderte die Regierung auf, "Konsequenzen zu ziehen". Mehdorn habe "seine letzte Chance vetan". Winfried Hermann (Grüne) nannte Mehdorns Brief ein "gewundenes Schreiben ohne echte Entschuldigung".

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