Vertrauen verloren Aufsichtsrat will Thyssenkrupp-Chef Kerkhoff loswerden

Essen · Das Kontrollgremium hat die Geduld mit Vorstandschef Guido Kerkhoff endgültig verloren. Aufsichtsratschefin Martina Merz will für maximal ein Jahr das Ruder übernehmen. Der frühere Siemens-Manager Siegfried Russwurm soll sie währenddessen vertreten.

 Guido Kerkhoff Vorstandsvorsitzender und Martina Merz.

Guido Kerkhoff Vorstandsvorsitzender und Martina Merz.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Anteilseigner und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat des Essener Industriekonzerns Thyssenkrupp haben das Vertrauen in das Top-Management endgültig verloren. Wie der Konzern überraschend in der Nacht zu Mittwoch mitteilte, haben sich das Präsidium des Aufsichtsrats und der Personalausschuss darauf verständigt, mit Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff „Verhandlungen über eine zeitnahe Beendigung seines Vorstandsmandates aufzunehmen“. Es ist nicht weniger als ein Rauswurf des Managers. Worte des Dankes oder Hinweise auf eine einvernehmliche Trennung sucht man in der Mitteilung vergebens.

Vorerst übernimmt Aufsichtsratschefin Martina Merz das Ruder. Maximal ein Jahr werde sie diese Rolle ausfüllen. Die Zeit soll genutzt werden, um einen Nachfolger zu suchen. Ihr Amt als Chefkontrolleurin lässt sie währenddessen ruhen, um es dann nach erfolgreicher Neubesetzung wieder aufzunehmen. Der frühere Siemens-Manager Siegfried Russwurm soll sie währenddessen vertreten.

Präsidium und Personalausschuss sind mit den gleichen Personen besetzt. Neben Merz sind dies ihr Vorgänger Bernhard Pellens, Wirtschaftsprofessor an der Ruhr-Universität Bochum. Hinzu kommen die Vertreter der Arbeitnehmerseite: der IG-Metall-Sekretär Markus Grolms und Gesamtbetriebsratschef Dirk Sievers.

Der 51-jährige Kerkhoff, der von 2011 bis 2018 Finanzvorstand des Konzerns war und nach dem überraschenden Abgang von Heinrich Hiesinger erst als Zwischen- dann als Dauerlösung an die Spitze gerückt war, hatte mit seinem strategischen Schlingerkurs die Geduld des Aufsichtsrats auf eine harte Probe gestellt. Erst hatte er versucht, den Konzern in einen Werkstoff- und einen Industriegüterkonzern aufzuspalten. Die Pläne sorgten jedoch für massive Kritik – unter andere wegen der hohen steuerlichen Belastung, die sie für den klammen Konzern bedeutet hätten.

Als die EU-Kommission das geplante Stahl-Joint-Venture mit dem indischen Konkurrenten Tata untersagte, beerdigte Kerkhoff nicht nur seine Spaltungspläne, sondern kündigte gleich einen radikalen Kursschwenk an: Er wollte den Stahl plötzlich wieder zum Kerngeschäft machen und die Aufzugsparte an die Börse bringen, notfalls verkaufen. Interessenten wie etwa den norwegischen Konkurrenten Kone, aber auch zahlreiche Finanzinvestoren signalisierten Interesse. Zudem kündigte er den Abbau von 6000 Stellen an.

Zusätzlich zur Berufung Merz‘ an die Konzernspitze hat der Personalausschuss vorgeschlagen, den Chef des Werkstoffhandels, Klaus Keysberg, ebenfalls in den Konzernvorstand zu berufen. Dort soll er neben seinem bisherigen Bereich auch für den Stahl zuständig sein. Dies kann als Zeichen gewertet werden, dass auch unter einer Thyssenkrupp-Chefin Merz der Stahl wieder stärker in den Mittelpunkt rückt.

Die frühere Bosch-Managerin hat sich in ihren früheren Funktionen als durchsetzungsstarke Saniererin einen Namen gemacht, die jedoch auch gut mit der Arbeitnehmerseite umzugehen weiß. Seit Januar ist die Unternehmensberaterin, die ein Maschinenbaustudium absolviert hat, Aufsichtsratschefin bei Thyssenkrupp. Daneben hat sie noch eine Reihe weiterer Mandate, unter anderem im Aufsichtsrat der Lufthansa.

Kerkhoffs Abgang dürfte für Thyssenkrupp nicht ganz billig werden. Sein Vertrag läuft noch bis zum 30. September 2023.

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