Stahl-Branche Aufsichtsrat stimmt Stahl-Ehe von Thyssenkrupp zu

Essen · Lange dauerte die Sitzung der Kontrolleure: Am Ende stimmten sie der Fusion der Stahlsparte mit dem indischen Konkurrenten Tata zu. Diese kann 4000 Jobs kosten.

 Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger.

Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger.

Foto: dpa/dpa, ve htf

Ulrich Lehner hatte in den vergangenen Tagen mächtig zu tun, um den Aufsichtsrat von Thyssenkrupp zusammenzuhalten. Jens Tischendorf, der für den aggressiven Investor Cevian im Kontrollgremium sitzt, hat bis zuletzt versucht, den Stahl-Deal zu kippen – und Vorstandschef Heinrich Hiesinger gleich mit. Er säte Zweifel und Kritik. Doch sein Versuch, den Aufsichtsrat zu spalten, scheiterte: Das Gremium stimmte unter Lehners Führung am Freitag mehrheitlich dem Joint Venture mit dem indischen Konkurrenten Tata zu. Damit rettet Hiesinger seinen Stuhl, für Thyssenkrupp endet eine Ära als Duisburger Stahlkonzern. Allerdings dauerte die Sitzung des Aufsichtsrat bis in den Abend. Stundenlang brüteten parallel Notare über den Verträgen.

Schon 2017 hatte Hiesinger mit Tata vereinbart, die Stahlaktivitäten in ein Joint Venture einzubringen, an dem beide 50 Prozent halten. So soll Europas zweitgrößter Stahlkocher nach ArcelorMittal entstehen. Die Zentrale soll in die Region Amsterdam gehen. Eine Zäsur: Über 120 Jahren war die Stahlzentrale in Duisburg.

Thyssenkrupp will in die Ehe 27.000 Mitarbeiter einbringen, darunter 14.000 mit dem Werk Duisburg. Von Tata kommen 21.000 Mitarbeiter und die Werke Ijmuiden (Niederlande) und Port Talbot (Wales). Von den 48.000 Stellen der neuen „Thyssenkrupp Tata Steel“ können bis zu 4000 wegfallen, 2000 bei jedem Partner. So sollen Synergien bis zu 600 Millionen Euro gehoben werden.

Die IG Metall hatte sich lange gewehrt und am Ende nur gegen große Zugeständnisse zugestimmt. So musste Hiesinger eine Beschäftigungs- und Standortsicherung bis 2026 abgeben. Bis dahin darf es keine betriebsbedingte Kündigungen geben. Jedoch kann der Vorstand Ende 2020 einzelne Anlagen auf Wirtschaftlichkeit überprüfen, so in Bochum (Autobleche) und Duisburg-Hüttenheim (Grobbleche).

Für Hiesinger ist es ein Befreiungsschlag: Auf der Hauptversammlung hatte er sich von Aktionären wie Union Investment noch Untätigkeit vorwerfen lassen müssen: „Sie stehen jetzt sieben Jahre an der Spitze. Mit Blick auf die Aktie waren es sieben verlorene Jahre.” Thyssenkrupp will durch das Joint Venture seine Abhängigkeit vom schwankungsanfälligen Stahlgeschäft verringern.

Kritiker zweifeln, dass die Hochzeit zu einer glücklichen Stahl-Ehe führen wird. Die Branche leidet weltweit unter Überkapazitäten, die Konkurrenz aus Asien wird härter, Tata-Standorte gelten als ineffizient. Tatas Geschäfte liefen zuletzt so schlecht, dass Hiesinger auf Druck von Cevian einen Nachschlag von Hunderten Millionen Euro bei der Bewertung heraushandeln musste. Bei einem angedachten Börsengang des Joint Ventures könnte Thyssenkrupp daher mehr als die Hälfte der Erlöse erhalten, heißt es in der Branche.

Für Hiesinger wird es nicht leichter: Als nächstes will er die Strategie für den Rest-Konzern (137.000 Mitarbeiter in den Bereichen Aufzüge, Autoteile, U-Boote, Anlagen) vorstellen. Investor Cevian will, dass Thyssenkrupp zerschlagen wird, so dass er nach einem Kursplus aussteigen kann. Tischendorf steht unter Druck, weil der Einstieg bei Thyssenkrupp wie bei Bilfinger ein Flop ist. Nun ist der aggressive Investor Elliott (Paul Singer) bei Thyssenkrupp eingestiegen. In der aktuellen Schlacht hat sich Singer zurückgehalten, heißt es. Doch mit Klagen und Sonderprüfern hat er schon manchen Chef abgesägt.

(anh)
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