Ex-Arcandor-Chef zu drei Jahren Haft verurteilt Richter verhängt Haftbefehl gegen Thomas Middelhoff

Essen · Der Strafprozess gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff ist mit einem spektakulären Urteil zu Ende gegangen: Nach der überraschenden Verurteilung zu drei Jahren Haft durch das Essener Landgericht ist der frühere Top-Manager am Freitag noch im Gerichtssaal verhaftet worden.

 Thomas Middelhoff ist zu drei Jahren Haft verurteilt worden.

Thomas Middelhoff ist zu drei Jahren Haft verurteilt worden.

Foto: dpa, ve hpl

Das Gericht hatte den früheren Chef des inzwischen pleitegegangenen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor nach sechsmonatiger Verhandlung der Untreue in 27 Fällen und der Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig gesprochen. Den von Middelhoff verursachten Schaden bezifferte das Gericht auf gut 500.000 Euro. Würde das Urteil rechtskräftig, müsste der 61-Jährige ins Gefängnis. Doch können Middelhoffs Verteidiger gegen die Entscheidung noch Revision beim Bundesgerichtshof einlegen.

Die Kammer sah es als erwiesen an, dass Middelhoff seinem damaligen Arbeitgeber Arcandor über Jahre hinweg Flugkosten in vielen Fällen zu Unrecht in Rechnung gestellt hatte - unter anderem einen Flug nach New York für mehr als 90.000 Euro. Noch schwerer wog ein Geburtstagsgeschenk für Middelhoffs Mentor bei Bertelsmann, Mark Wössner. Dem hatte Middelhoff zum 70. Geburtstag eine Festschrift erstellt. Kosten: mehr als 180.000 Euro. Die hätte eindeutig Middelhoff zahlen müssen, urteilte das Gericht. Doch die Kosten trug Arcandor.

Im diesen beiden Fällen sahen die Richter Untreue in einem besonders schweren Fall, für die das Gesetz Höchststrafen von zehn Jahren vorsieht. Im Zusammenhang mit sogenannten Vorstandswochenenden, die Middelhoff für das Arcandor-Management in seinem Ferienhaus in Südfrankreich organisiert hatte, wurde der Angeklagte dagegen freigesprochen - ebenso wie bei Flügen, die sowohl dienstliche als auch private Anlässe hatten.

Haftbefehl wegen Fluchtgefahr

Mit der Urteilsverkündung erließ das Landgericht hat einen Haftbefehl gegen Middelhoff. Das Gericht sehe derzeit Fluchtgefahr bei dem 61-Jährigen, sagte der Vorsitzende Richter Jörg Schmitt. Ausschlaggebend dafür seien die Höhe der verhängten Freiheitstrafe, der Wohnsitz im Ausland und die unklare berufliche Situation des Managers.

Schmitt kündigte gleichzeitig an, dass sich das Gericht unmittelbar nach dem Ende der Urteilsverkündung im Gespräch mit Middelhoff und seinen Verteidigern um eine "mildere Maßnahme" bemühen wolle. Der Haftbefehl könnte aber beispielsweise gegen Zahlung einer Kaution außer Vollzug gesetzt werden, erklärte ein Sprecher des Gerichts. Es sei gut möglich, dass der Haftbefehl noch im Laufe des Tages außer Vollzug gesetzt werde.

"Ich kann mir kein Fehlverhalten vorwerfen"

Mit dem überraschend harten Urteil blieb das Gericht nur leicht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Sie hatte für den Manager eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten gefordert. Middelhoffs Verteidiger hatten dagegen einen Freispruch verlangt. Noch in seinem Schlusswort hatte der Manager alle Vorwürfe zurückgewiesen und beteuert: "Ich kann mir kein Fehlverhalten vorwerfen."

Der Richter räumte ein, ohne die Arcandor-Insolvenz hätte es das Verfahren wohl nicht gegeben. Denn letztlich sei erst durch "Erbsenzählerei des Insolvenzverwalters" der Prozess ins Rollen gekommen. Doch gehe es nicht um die Insolvenz, sondern um den Umgang Middelhoffs etwa mit den Reisekosten-Regelungen des Unternehmens.

Gleichzeitig kritisierte Schmitt, der Angeklagte sei an entscheidenden Stellen im Verfahren nicht ehrlich gewesen. Zum Teil habe er dem Gericht "abenteuerliche Erklärungen" gegeben.

Middelhoff selbst hatte die Vorwürfe im Prozess immer wieder vehement zurückgewiesen. In seinem Schlusswort betonte er, er sei zum einstigen Karstadt-Mutterkonzern gekommen, "um das Unternehmen zu retten, um Arbeitsplätze zu retten". Das insgesamt fünfjährige Verfahren sei für ihn ein Alptraum. "Ich fühle mich in meiner Würde und Ehre verletzt."

Middelhoff war 2004 als Aufsichtsratschef zu Arcandor gekommen und ein Jahr später an die Vorstandsspitze gerückt. 2009 war er zurückgetreten. Kurz darauf hatte Arcandor Insolvenz anmelden müssen.

Mit Agenturmaterial

(dpa)
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