Appell an Unternehmen Nahles fordert Praktika für hunderttausende Flüchtlinge

Berlin · Die Betriebe in Deutschland sollten nach Ansicht von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hunderttausende Praktika für Flüchtlinge ermöglichen. Nahles forderte einen "gewaltigen Kraftakt" von den Unternehmen.

Andrea Nahles - Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion
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"Die Firmen sollten hunderttausenden jungen Leuten für sechs bis zwölf Monate eine Chance geben, in unsere Betriebe über Einstiegsplätze und Praktika hineinzuschnuppern", sagte Nahles der "Süddeutschen Zeitung" vom Freitag.

Das Instrument der Betriebspraktika gebe es bereits für schwächere Schüler, "die noch nicht reif für eine Ausbildung sind", sagte Nahles. Davon könnten auch anerkannte Asylbewerber profitieren. Die Unternehmen müssten für diese Einstiegsqualifizierung keinen Mindestlohn zahlen.

Die praktischen Erfahrungen in einem Betrieb könnten gleich mit dem Erlernen der Sprache kombiniert werden. "Jeder weiß doch, dass man eine Sprache schneller lernt, wenn man weiß, wofür man sie braucht", sagte Nahles der Zeitung.

Sie rechne damit, dass die Mehrheit der Flüchtlinge nicht sofort Arbeit finden wird und damit Anspruch auf Arbeitslosengeld II hätte. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger könne deshalb bis 2019 um eine Million anwachsen. "Wenn wir es richtig angehen und gleich am Anfang in die Leute investieren, dann wird Arbeitslosengeld II nur eine Zwischenstation sein", sagte die Ministerin weiter.

Die Chance für Flüchtlinge, in Deutschland einen Arbeitsplatz zu finden, ist Regierungsangaben zufolge derzeit allerdings gering. Von rund 311.000 erwerbsfähigen Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen, die zum Stichtag 31. August hier lebten, bekamen im ersten Halbjahr nur rund 17.400 eine Arbeitsgenehmigung, wie aus einer am Freitag veröffentlichten Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. In rund 7700 Fällen sei die Zustimmung zur "Ausübung einer Beschäftigung" verweigert worden - oft auch, weil die Bezahlung zu schlecht war.

Den Regierungsangaben zufolge stieg der Anteil der Ablehnungen im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich. 2014 gab es demnach knapp 10.400 Arbeitsgenehmigungen und rund 2460 Ablehnungen - 19 Prozent der Entscheidungen fielen also negativ aus. Im ersten Halbjahr 2015 betrug dieser Prozentsatz dagegen 31 Prozent, also fast ein Drittel.

Grund für die Ablehnung sind immer öfter zu schlechte Beschäftigungsbedingungen, wie die Linke erklärte. Kontrolliert werde von den Arbeitsämtern vor allem, ob die Entlohnung schlechter ist als üblich oder kein Mindestlohn gezahlt wird. Im vergangenen Jahr gab es den Regierungsangaben zufolge 384 solcher Fälle, im ersten Halbjahr 2015 bereits knapp 2500.

Ein weiterer wichtiger Ablehnungsgrund ist demnach die Vorrangregelung - die Arbeitsämter prüfen, ob der Arbeitsplatz nicht mit einem Deutschen oder EU-Bürger besetzt werden kann.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, forderte von Nahles die Schaffung von 3000 zusätzlichen Stellen in Jobcentern und Arbeitsagenturen. Sonst drohten die für die Vermittlung von Praktika zuständigen Jobcenter "zum zweiten Nadelöhr bei der Flüchtlingsintegration zu werden".

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(AFP)
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