Übernahmepoker um Alstom Siemens will Übernahme-Angebot für Alstom vorlegen

Paris · Siemens will Insider-Informationen zufolge am Dienstag ein Gebot für den französischen Industriekonzern Alstom vorlegen. Die Offerte dürfte im Verlauf des Tages offiziell bekanntgegeben werden, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person am Montagabend.

 Siemens will schnell über ein mögliches Übernahmeangebot für den französischen Konkurrenten Alstom entscheiden.

Siemens will schnell über ein mögliches Übernahmeangebot für den französischen Konkurrenten Alstom entscheiden.

Foto: afp, pk/LV

Siemens lehnte eine Stellungnahme ab. Sowohl Siemens als auch der US-Rivale General Electric (GE) sind an der Alstom-Energietechniksparte interessiert. Die mit hoher Arbeitslosigkeit und dem Niedergang der heimischen Industrie kämpfende Regierung in Paris erklärte zuvor, der Erhalt von Arbeitsplätzen habe Priorität.

Frankreichs Präsident Francois Hollande hatte den Übernahmepoker um den heimischen Industriekonzern Alstom zur Chefsache gemacht. Der Staatschef bat am Montag die Spitzenmanager von Siemens und General Electric (GE) zu Gesprächen in den Élyséepalast. Beide Unternehmen hatten zuvor Interesse an Teilen des Herstellers von Energie- und Bahntechnik angemeldet. Siemens kündigte an, im Anschluss an das Treffen mit Hollande über ein konkretes Angebot für Alstom entscheiden zu wollen. Daran sollten am Abend Vorstandschef Joe Kaeser und Aufsichtsratschef Gerhard Cromme teilnehmen.

Einigung verzögert sich

Siemens soll bereit sein, Geschäfte im Schienenverkehr, wie den Bau von ICE-Zügen und Lokomotiven, an Alstom abzugeben, wenn es im Gegenzug das Energietechnik-Geschäft der Franzosen übernehmen könnte.

Nach einem rund einstündigen Treffen zwischen Hollande und GE-Chef Jeff Immelt hatte es am Montagvormittag zunächst keine Neuigkeiten gegeben. Immelt ließ lediglich mitteilen, die Gespräche seien "offen, freundlich und produktiv" gewesen. GE verstehe und schätze Hollandes Sichtweise und sei bereit, zusammenzuarbeiten.

Im Anschluss an die Gespräche mit Immelt und den Siemens-Vertretern wollte Hollande Martin Bouygues treffen. Der Chef des gleichnamigen französischen Konzerns ist als Alstom-Großaktionär maßgeblich an den Übernahmeverhandlungen beteiligt. Die Alstom-Führung will sich spätestens am Mittwochmorgen zum weiteren Vorgehen äußern. Die Aktien des für seine TGV-Züge bekannten Unternehmens sollen bis dahin nicht gehandelt werden.

Frankreich hat Veto-Recht

Der französische Staat kann sich in die Verhandlungen einmischen, weil er bei Übernahmen in strategisch wichtigen Industriebereichen eine Art Veto-Recht hat. Die Regierung unter Hollande sieht eine mögliche Übernahme durch GE kritisch, weil sie unter anderem die Verlagerung von Arbeitsplätze und Entscheidungszentren befürchtet. Paris hat stattdessen angedeutet, einen Geschäftsfeldertausch zwischen Siemens und Alstom zu bevorzugen.

Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin erklärte am Montag, eine solche Übernahme sei zuerst eine unternehmerische Entscheidung, sie böte aber große industriepolitische Chancen für Deutschland und Frankreich. Beide Staaten wollten im Energiebereich eng zusammenarbeiten.

Hollande will deutsch-französische Allianz

Hollande hatte bereits im Januar vorgeschlagen, eine deutsch-französische Allianz im Energiebereich zu schmieden. Als Vorbild für gelungene Zusammenarbeit nannte er den vor allem von Deutschland und Frankreich geschaffenen Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus (früher EADS).

In einem Brief bot Siemens-Chef Kaeser unter anderem eine Arbeitsplatzgarantie an. Siemens könne demnach für mindestens drei Jahre auf Stellenstreichungen in Frankreich verzichten. Der Wert der für Siemens interessanten Alstom-Geschäfte wird vom Unternehmen mit zehn bis elf Milliarden Euro beziffert. Es geht Siemens vor allem um die Kraftwerkssparte, die erneuerbaren Energien und die Energieübertragungstechnik von Alstom.

Den Anlegern des Münchner Konzerns bereiteten die Übernahmepläne zunächst Sorgen: Bis Montagnachmittag rutschten Siemens-Aktien mit einem kräftigen Minus von rund 2,50 Prozent in den Keller. Der Siemens-Rivale General Electric soll Gerüchten zufolge rund 13 Milliarden Dollar (9,4 Mrd Euro) für große Teile des französischen Herstellers von Energie- und Bahntechnik bieten. Die EU-Kommission wollte sich zunächst nicht zu möglichen kartellrechtlichen Hürden eines Einstieg von Siemens bei Alstom äußern. "Wir kommentieren keine hypothetischen Ereignisse", sagte ein Sprecher.

Deutschland begrüßt mögliche Übernahme durch Siemens

Das Bundeswirtschaftsministerium steht einer möglichen Teilübernahme des französischen Alstom-Konzerns durch das größte deutsche Elektrounternehmen Siemens grundsätzlich positiv gegenüber. Eine solche Übernahme sei zuerst eine unternehmerische Entscheidung, sie böte aber große industriepolitische Chancen für Deutschland und Frankreich, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin. Beide Staaten wollten im Energiebereich eng zusammenarbeiten.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung sei über die Gespräche der Unternehmen informiert und stehe auch im Kontakt mit der französischen Regierung. Das Bundesverkehrsministerium wollte die Gespräche im derzeitigen Stadium nicht kommentieren.

(dpa)
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