Poker um Alstom Siemens-Fusion gefährdet NRW-Jobs

Krefeld/Paris · Der Siemens-Chef warb am Montag bei Frankreichs Präsident Hollande für ein Tauschgeschäft mit seinem französischen Konkurrenten Alstom. Die Bahnsparte mit ihren 2400 Beschäftigten in Krefeld würde aus Paris gesteuert.

 Joe Kaeser und Gerhard Cromme am Elysée-Palast.

Joe Kaeser und Gerhard Cromme am Elysée-Palast.

Foto: dpa, isl ase

Der Besuch der Siemens-Konzernspitze im Élysée-Palast am Montag hat viel gezeigt: Zum einen ist es Siemens sehr ernst mit seinem Vorschlag, beim französischen Rivalen Alstom einzusteigen; zum anderen hat nicht Alstom-Chef Patrick Kron, sondern Staatspräsident François Hollande das letzte Wort. Kron würde gern auf das Übernahmeangebot des US-Konzerns General Electric (GE) eingehen. Hollande empfing am Montagmorgen dessen Chef Jeffrey Immelt. Vielsagend hieß es später: GE verstehe und schätze Hollandes Sicht. Der Präsident bevorzugt - ebenso wie die Bundesregierung - eine europäische Lösung.

Siemens-Chef Joe Kaeser und der perfekt Französisch sprechende Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme erläuterten am Abend Hollande ihr Konzept. Es sieht eine deutsch-französische Zusammenarbeit in der Energie- und Bahntechnik vor. Genau das propagiert Hollande. Für Dienstagvormittag werde eine außerordentliche Siemens-Aufsichtsratssitzung angesetzt, die ein Angebot beschließen könnte, hieß es aus Unternehmenskreisen.

Wenn der hoch verschuldete Alstom-Konzern schon nicht mehr zu 100 Prozent französisch bleiben kann, dann soll es doch lieber ein Geschäft mit dem deutschen Nachbarn geben, als eine Übernahme durch den US-Riesen - so sieht es die Regierung in Paris. Siemens hatte vor zehn Jahren schon einmal versucht, Teile von Alstom zu schlucken. Das hatte aber die damalige Regierung verhindert; der "nationale Champion" sollte französisch bleiben.

Siemens hat jetzt rund elf Milliarden Euro für die Übernahme der Energie-Technik (Kraftwerke, Stromübertragung, Erneuerbare Energien) von Alstom und eine dreijährige Job-Garantie angeboten. Der kleinere Teil des Geschäfts - die Bahnsparte - käme in französische Hände. Und die beiden ewigen Konkurrenten um Hochgeschwindigkeitszüge, TGV und ICE, unter ein von Frankreich aus gesteuertes Firmendach.

Sorge um Jobs in Krefeld

Für Maria Leenen, Chefin der Consultingfirma SCI Verkehr, "wird es Zeit für einen starken europäischen Bahnbauer". Die Konkurrenz, vor allem die chinesische, sei auf dem Weltmarkt mit Macht unterwegs. Die Vorteile eines Zusammengehens liegen für die Expertin auf der Hand: "Die Kosten für eine Neuentwicklung eines Schienenfahrzeugs liegen pro Stück deutlich höher als etwa im Automobilbau." Wenn es künftig also nur noch den "TGV-ICE" gebe, halbierten sich die Ingenieurleistungen. Damit könnten in Krefeld aber viele besonders qualifizierte Stellen wackeln.

Für die Arbeitsplätze in der Fertigung erwartet Leenen erst einmal kaum Konsequenzen. Zunächst lasse sich in der Produktion ohnehin nichts ändern. Langfristig werde es aber zu einem Wettbewerb der Standorte kommen. "Aber da mache ich mir für das Werk in Krefeld wenig Sorgen", sagt die Beraterin. Voraussetzung sei allerdings, dass alles "fair ablaufe". Standortfragen würden oft politisch entschieden - für Krefeld ist das kein gutes Omen. Ralf Claessen, IG-Metall-Bevollmächtigter in Krefeld, sieht angesichts der hohen Investitionen von Siemens kaum Gefahren für den Standort Uerdingen. Die Auftragsbücher seien voll, das Produkt hervorragend. Nach seinem Eindruck reagiert die Belegschaft "relativ entspannt". Gleichwohl wäre es ihm lieber, wenn Siemens statt eines Tausches der Sparten Geld in die Hand nähme, um Alstom ganz zu übernehmen.

Knut Giesler, IG-Metall-Chef in NRW, scheint sich am wenigsten sicher zu sein, wie es weitergeht: Er sagt, die Gewerkschaft werde sich dafür einsetzen, dass die Beschäftigten von Siemens in Krefeld und im Prüfzentrum Wegberg eine gesicherte Zukunft behalten. "Exzellente Schienentechnologie" müsse in NRW bleiben.

(RP)
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