Aldi Nord Die Buddenbrooks aus Essen

Essen · Mit aller Härte kämpfen die Erben des Discount-Händlers Aldi Nord um die Macht. Der Ruf der einst verschwiegenen Familie leidet.

Wann begann eigentlich der Unfriede im Hause Albrecht? War es, als der 2012 verstorbene Firmenerbe Berthold Albrecht mit Ehefrau Babette zunehmend die Schönheit des Lebens in Wohlstand inklusive schöner Fernreisen zu Oldtimer-Rennen schätzen lernte? "Die Lebensführung meiner Schwägerin hat mich gestört", gibt nun Bertholds Bruder Theo Albrecht Junior in einem Interview zu. Gab es schon früher Streit, weil sich der feinsinnige Berthold gegenüber dem Erstgeborenen Theo gelegentlich weniger geliebt fühlte - manche Familienkenner vermuten dies.

Doch der eigentliche Beginn des Krieges im Hause Albrecht lässt sich wohl auf den 27. Dezember 2012 datieren: Nachdem Berthold vier Wochen zuvor gestorben war, legte Familienanwalt Emil Huber den fünf Kindern von Berthold ein zwölfseitiges Vorschlagspapier vor: Sie sollten zwar gemäß einer umstrittenen Satzungsänderung bei der ihnen zuzuordnenden Jakobus-Stiftung weitgehend auf Macht im Unternehmen verzichten. Im Gegenzug würde aber halbwegs großzügig für sie gesorgt. Und sie müssten einen unauffälligen Lebensstil pflegen.

Seit diesem Wintertag tobt rund um eines der größten Unternehmen Deutschlands ein erbitterter Kampf: Es geht um Einfluss in einer Gruppe mit weltweit weit mehr als 40.000 Mitarbeitern - alleine in den 2400 deutschen Filialen des Essener Konzerns Aldi Nord zwischen Mülheim an der Ruhr und Flensburg arbeiten 28.000 Menschen (südlich von Mülheim ist Aldi Süd aktiv).

Es geht um viel Geld: Der Wert des Konzerns wird auf mehr als 20 Milliarden Euro inklusive des USA-Ablegers Trader Joe's geschätzt - selbst ein Bruchteil des Gewinnes von jährlich geschätzt rund einer Milliarde Euro reicht für einen üppigen Lebensstil. Und es geht für alle Beteiligten um persönliche Dinge: Theo Albrecht Junior sieht sich als wahrer Erbe seines immer extrem sparsamen Vaters Theo - also greift er immer wieder Schwägerin Babette und deren fünf mittlerweile erwachsene Kinder an. Hohe Zahlungen an diese könnten "das Unternehmen in seiner Reputation" gefährden, sagte er im "Handelsblatt".

Die manchmal auch auf öffentlichen Feiern fotografierte Babette sollte ihren Lebensstil ändern, sonst müssten sich die Firma und sie trennen, schrieb er ihr in einem Brief. Und er sehe Babettes Gerichtsverfahren wegen der öffentlichen Wirkung als "belastend" für die Aldi-Gruppe an. Tatsächlich hatte sie den Kunstberater Helge Achenbach wegen Betruges in Höhe von mehr als 20 Millionen Euro gegenüber ihrem verstorbenen Mann angezeigt, ein Vorgehen, das man ihr eigentlich nicht vorwerfen kann.

Den Streit um die Macht trägt Theo so vehement in die Öffentlichkeit, dass nun der Babette-Clan zur Mäßigung aufruft: "Die öffentlichen Angriffe schaden nur dem Unternehmen und sollten aufhören", sagte unserer Redaktion der Anwalt Andreas Urban, der Babette Albrecht und ihre Kinder vertritt.

Dabei schaukelt sich der Streit immer weiter hoch. Anfang des Jahres kippte Anwalt Urban die Satzungsänderung in der Jakobus-Stiftung wegen eines Formfehlers - jetzt haben wieder die fünf Kinder als Alleinerben wie früher vorgesehen die Mehrheit im Vorstand. Ende des Jahres muss das Oberverwaltungsgericht Schleswig nun entscheiden, welche Satzung gilt.

Schon vorher setzten die Kinder in der Stiftung durch, dass sie seit 2012 rund 75 Millionen Euro nach Steuern überwiesen bekamen - genau diese Zahlungen entfachten dann die Wut von Theo und seiner Mutter Cilly, die Babette sowieso in Abneigung verbunden ist.

Allerdings fragen sich Kenner von Familienfirmen, ob die fünf Kinder sich die Millionen auch überwiesen haben, weil sie sich ihres Status im Unternehmen unsicher sind. "Wenn Erben so zerstritten ist", sagt die Beraterin Kirsten Schubert, "sind auch radikale Schritte denkbar. Und dann wird eben aus einer Stiftung viel Geld abgezweigt, obwohl dies dem eigentlichen Sinn der Stiftung nicht entspricht."

Sicher ist dabei, dass Berthold den Krach selbst provoziert hat. Noch vier Wochen vor seinem Tod hatte er anscheinend erwogen, sein Testament zu ändern - aber dann ließ es der schwerkranke Milliardär unverändert. Hauptinhalt: Ehefrau Babette erhielt zwar eine großzügige Versorgung ab sofort, aber die Kinder sollen erst ab ihrem 32. Lebensjahr Zuwendungen aus der persönlichen Erbschaft bekommen.

Gleichzeitig unterließ es Berthold aber, die 2010 erfolgte Änderung der Satzung der Jakobus-Stiftung auch in das Testament aufzunehmen und seine Kinder davon zu informieren.

Als Ergebnis glauben diese nun, Theo habe dem 2010 schon schwerkranken Bruder Berthold die Änderung nur aufgedrängt - und ihr Vater habe die Folgen nicht durchdacht: Während in der alten Satzung die Kinder die Mehrheit in ihrer Stiftung gehabt hätten, sollte nun der mit Theo verbündete Familienanwalt Huber und ein Aldi-Manager genausoviele Stimmen im Vorstand haben. Die Folge wäre dramatisch: Die Kinder hätten keinen Cent ohne Zustimmung erhalten können. Das Management würde sich zum Teil selbst kontrollieren.

Umgekehrt fürchtet die Gegenseite das Chaos. Weil die Jakobus-Stiftung ein Veto gegen jede große Investition von Aldi Nord einlegen kann, hätten die Kinder ein "unbegrenztes Erpressungspotenzial", warnt Theo. Bisher wurden aber keine Ausgaben blockiert.

Wie es laufen muss, zeigt Henkel: Die mehr als 100 Familienangehörigen erhalten je nach Aktienanteil einfach eine Dividende. Aber die Kontrolle des Vorstandes hat ein Gesellschafterausschuss übernommen, in dem Familie und externe Profis gut zusammenarbeiten.

(RP)
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