Anti-Krisen-Programm Radikalkur für den ADAC

München · Mit der Abtrennung der wirtschaftlichen Aktivitäten will der ADAC die schwerste Krise seiner Geschichte überwinden. Am Nikolaustag entscheidet darüber eine außerordentliche Hauptversammlung.

Chronologie der Pannen beim ADAC
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Foto: dpa, Peter Kneffel

Der ADAC hat sich hohe Ziele gesetzt. Seine Reformpläne versprechen weniger Kommerz, mehr Transparenz und die Trennung zwischen dem Verein und seinen kommerziellen Aktivitäten — das alles mit der Aufsicht von außen. Ob die Pläne in die Praxis umgesetzt werden, sollen rund 190 Delegierte aus den Regionalclubs bei einer außerordentlichen Hauptversammlung am Nikolaustag entscheiden. "Es ist die maximale Entflechtung — oder sagen wir Entherrschung, die hier angestrebt wird", sagte Transparency-Chefin Edda Müller dem "Handelsblatt" über die angestrebte Reform, die unter Führung des kommissarischen Präsidenten August Markl erarbeitet wurde.

Das Jahr 2014 hat dem ADAC, Deutschlands größtem Verein, zugesetzt. Die gefälschten Ergebnisse beim Autopreis "Gelber Engel", also beim "Lieblingsauto der Deutschen", führten zu einem massiven Glaubwürdigkeitssverlust. Viele Autofahrer kehrten dem ADAC nach dem Skandal den Rücken: Während in den vergangenen Jahren jährlich im Schnitt rund 500 000 Mitglieder beim Automobilclub wurden, stieg die Zahl in diesem Jahr nicht weiter an, sondern blieb mit knapp 19 Millionen Mitgliedern mehr oder weniger stabil. Die "größte Panne in der 111-jährigen Geschichte des ADAC", nannte der Automobilclub die Affäre selbst.

Doch auch die Wirtschaftsaktivitäten des ADAC kratzen am Image. Um die Krise zu überwinden und den steuersparenden Vereinsstatus zu erhalten, steht die Trennung der wirtschaftlichen Aktivitäten von dem Verein im Mittelpunkt der Reformen. Der Plan sieht vor, die Wirtschaftsbetriebe mit ihren 44 Töchtern, die unter anderem Reisen und Versicherungen anbieten, in eine Aktiengesellschaft auszugliedern.

Diese soll zu knapp 75 Prozent in der Hand des ADAC bleiben, die übrigen 25 Prozent sollen von einer Stiftung gehalten werden, die auch mit Externen besetzt werden könnte. Zudem wird der Plan, eigene Werkstattbetriebe aufzubauen, fallen gelassen und auch der Ausstieg aus dem Fernbusmarkt steht bereits fest. "Es ist eine sehr gute Möglichkeit, den Vereinsstatus zu wahren", erklärte Müller. Das Amtsgericht München prüft seit Monaten, ob der Autoclub als ein "Idealverein" eingestuft bleibt und will seine Entscheidung auch von der geplanten Reform des ADAC abhängig machen. "Die Struktur des Vereins zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts ist maßgeblich für die Beurteilung, ob der Verein zu Recht eingetragen ist", sagte eine Sprecherin. Noch vor Weihnachten soll eine Entscheidung fallen. Würde dem ADAC der Status des Vereins aberkannt, würde er Steuervorteile verlieren, die er trotz seiner Milliardenumsätze bisher noch genießt.

Gegenüber dem "Handelsblatt" betonte Müller, dass auch an anderer Stelle Reformbedarf bestehe: "Bei der inneren Demokratie und der Einbindung der Mitglieder hat der ADAC noch einiges vor sich." Es ginge um die Frage, wie ein einfaches Clubmitglied gewählt werden kann und um die Frage der inhaltlichen Attraktivität. Es müssten neue, inhaltliche Themenfelder angeboten werden: "Vielleicht stärker weg vom Auto, hin zu einer breiteren Auffassung von Mobilität."

Von dem Verantwortlichen für den "Gelber Engel"-Skandal hat der ADAC inzwischen eine Entschädigung bekommen. Nach langen Auseinandersetzungen einigte sich der ADAC vor wenigen Wochen außergerichtlich mit dem entlassenen Pressechef Michael Ramstetter. Er hatte zugegeben, die Zahlen für das Lieblingsauto der Deutschen gefälscht zu haben.

Nur wenige Monate nach Bekanntwerden der Manipulation musste der ADAC mit weiteren Vorwürfen kämpfen. Laut "Süddeutscher Zeitung" gaben Mitarbeiter des Clubs an, dass Pannenfälle, die von Garantiekunden der Hersteller kommen, bevorzugt behandelt würden. Die übrigen Mitglieder müssten so länger warten. Grund sei, dass der ADAC den Herstellern zumindest Bandbreiten für Wartezeiten zugesagt hätte und Strafen riskiere, wenn diese nicht eingehalten wurden. Der Club wies die Vorwürfe allerdings zurück. Man entscheide nicht nach Kundengruppen, jeder Anruf werde der Reihe nach bearbeitet, lautete die Verteidigung.

Der ADAC wurde 1903 von 25 begeisterten Motorradfahrern in Stuttgart als Motorradfahrer-Vereinigung gegründet. 1912 entstand das erste ADAC-Reisebüro. Zwar wurde die Organisation während der NS-Zeit aufgelöst, 1946 gelang mit 5000 Mitgliedern allerdings der Neubeginn. 1954 wurde die Straßenwacht wieder ins Leben gerufen, die heute als Flaggschiff des Clubs gilt.

(sno)
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