Interview mit Hochtief-Chef Frank Stieler "ACS will uns nicht zerschlagen"

Düsseldorf/Essen · Der Chef des Baukonzerns Hochtief spricht mit unserer Redaktion über das Desaster bei der Elbphilharmonie, die Verkaufspläne der Flughafensparte und die geplanten Investitionen in die Energeiewende sowie das Auftreten des Großaktionärs ACS.

Hochtief wurde im Sommer 2011 vom spanischen Baukonzern ACS übernommen. Nun soll es einen strategischen Neuanfang geben. Wo steht Hochtief in drei Jahren?

Stieler: Wir wollen in die Bereiche Energie, Verkehr und den Ausbau der Metropolen investieren. So bauen wir zum Beispiel Flüssiggasanlagen in Australien, die Japan unabhängiger von der Atomkraft machen. In Deutschland wollen wir stillgelegte Industrieanlagen und Flächen zu Pumpspeicher-Kraftwerken umbauen. Bis 2013 soll ein erstes Pilotprojekt an den Start gehen.

Stieler: Auch im Ruhrgebiet gibt es viele geeignete Orte. Wir sprechen mit einigen Partnern, wollen aber noch nicht zu viel verraten. Außerdem arbeiten wir an neuen Technologien, wie zum Beispiel im Meer versenkbaren Stromspeichern.

Wie sollen die aussehen?

Stieler: Bitte stellen Sie sich Betonkugeln mit einem Durchmesser von etwa 30 Metern vor. Versenkt man diese ins Meer und pumpt sie dann durch den überschüssigen Strom aus Offshore-Windparks mit Luft voll, so kann die Luft später durch Turbinen in der Außenwand wieder herausgelassen werden. Das erzeugt wieder Strom — und zwar genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die Energie benötigt wird. Also beispielsweise bei Windflaute.

Wie kann Hochtief noch an der deutschen Energiewende verdienen?

Stieler: Deutschland braucht durch die Energiewende 3600 Kilometer neue Stromleitungen. Und die müssen schnell entstehen. Dem stehen aber aufwändige Planfeststellungsverfahren und eine ablehnende Haltung in Teilen der Bevölkerung gegenüber: Nicht jeder will neue Strommasten oder ein Erdkabel mit Starkstrom unmittelbar vor der Haustür. In Sydney haben wir deshalb Stromleitungen in Tunneln durch Ballungsgebiete verlegt. Die schirmen ab und außerdem sind sie später viel leichter zu warten. Da kann sogar ein Montageaufzug waagerecht durchfahren. Das kann ein Vorbild für Deutschland sein. Außerdem helfen wir beim Aufbau der Offshore-Windparks, also der neuen Energiequelle schlechthin. In wenigen Jahren erwarten wir hier eine Leistung im dreistelligen Millionenbereich.

Sie wollen auch im Verkehrsbereich wachsen. Wo sehen Sie Potenzial in Deutschland?

Stieler: Noch ist Deutschland in punkto Mobilität ein Vorzeigestandort. Aber die Qualität der Verkehrswege nimmt ab und wir haben beim Erhalt einen enormen Aufholbedarf. Wenn ich mit dem Auto über die Sauerlandlinie nach Hessen fahre, muss ich wegen der vielen Brückenschäden oft mit Tempo 60 fahren. Dramatisch sieht es auch für den Ausbau aus. Hier hat sich eine Finanzlücke von 20 Milliarden Euro für die Jahre 2006 bis 2013 angesammelt.

Wieso wollen Sie ihre Flughäfen zu verkaufen, wenn im Sie Verkehrsbereich mit Wachstum rechnen?

Stieler: Unsere Flughafen-Sparte arbeitet sehr profitabel, die Fluggastzahlen und Umsätze an unseren Airports entwickeln sich insgesamt sehr erfreulich. Wir wollen das Eigenkapital aber künftig stärker für operatives Wachstum nutzen, zum Beispiel um Offshore-Windparks zu entwickeln.

Warum ist der Verkauf so schwierig? Im Oktober hatten Sie noch angekündigt, dass das Geschäft binnen Wochen unter Dach und Fach ist.

Stieler: Die gesamtwirtschaftliche Situation hat Auswirkungen auf das Bieterverfahren. Ein Paket im Milliardenwert ist derzeit für jeden Investor eine komplexe Finanzierungsaufgabe. Aber das Interesse ist da: Vinci hat gerade erst bestätigt, weiter am Kauf interessiert zu sein. Die Transaktion bleibt daher unser strategisches Ziel. Wir verkaufen aber keinesfalls unter Wert.

Zur Flughafen-Sparte gehört auch die Beteiligung am Flughafen Düsseldorf. Einzeln lässt sich der bestimmt gut verkaufen ...

Stieler: Unsere strategische Absicht ist es, uns von der ganzen Sparte zu trennen. Das werden wir auch weiter verfolgen.

Verkaufen wollen Sie auch Ihre Immobilien-Tochter aurelis. Wie sieht es da aus?

Stieler: Auch das ist in der aktuellen Situation schwieriger, aber wir stehen nicht unter Druck. Bei aurelis können wir entweder die ganze Gesellschaft oder einzelne Grundstücke verkaufen. Das Unternehmen hat Hunderte attraktiver Flächen in deutschen Innenstädten. Das sind alte Betriebsgrundstücke der Bahn wie der Güterbahnhof in Düsseldorf-Derendorf, die wir entwickeln und vermarkten.

Wenn sich die Verkäufe verzögern, liegen dann Ihre Investitionen in der Energiesparte auf Eis?

Stieler: Nein. Wir haben im vierten Quartal 2011 vorzeitig unsere Kreditlinie über zwei Milliarden Euro erneuert und auch Aurelis hat jüngst noch 700 Millionen Euro an den Kapitalmärkten aufgenommen. An Geld für Investitionen — auch international — fehlt es also nicht.

In Deutschland ist Hochtief wegen der Kostenexplosion bei der Hamburger Elbphilharmonie in den Schlagzeilen. Wer ist schuld?

Stieler: Für die Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie ist nicht Hochtief verantwortlich. Ursache sind die ständigen Nachplanungen und Zusatzwünsche der Architekten und des städtischen Bauherrn.

Was lernt Hochtief aus dem Desaster?

Stieler: Wir werden die Elbphilharmonie zu Ende bauen. Doch in Zukunft werden wir uns nicht wieder auf komplexe Projekte mit der öffentlichen Hand einlassen, die beim Baustart noch nicht fertig geplant sind. In Hamburg fehlt außerdem die zentrale Steuerung.

Und was sagt ACS dazu? Machen Ihnen die Spanier jetzt das Leben schwer und mischen sich ein?

Stieler: Ich bin jetzt neun Monate hier, und alle Befürchtungen, ACS wolle uns zerschlagen, haben sich nicht bewahrheitet. Natürlich reden die Vertreter von ACS im Aufsichtsrat über die Strategie mit, aber das ist doch normal. Ich erlebe ACS als engagierten Großaktionär. Und es ist ein großer Vorteil, ein Unternehmen aus derselben Branche als Investor zu haben.

Antje Höning führte das Gespräch.

(felt)
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