Abgasskandal Neuer Diesel, alte Probleme

Düsseldorf · Auch neueste Fahrzeuge überschreiten nach Messungen des Umweltbundesamtes die erlaubten Grenzwerte um ein Vielfaches. Trotzdem blockiert die Bundesregierung offenbar EU-Pläne, härtere Regeln für die Branche einzuführen.

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Foto: dpa, Oliver Weiken

Am Ende geht es bei diesem ganzen Konflikt um die großen politischen Fragen: Ist der Schutz der Industrie wichtiger als der der Umwelt? Sichert man lieber die Arbeitsplätze der Menschen oder ihre Gesundheit? Und für wen macht diese Bundesregierung überhaupt Politik?

Natürlich, das ist eine sehr zugespitzte Beschreibung der Realität, doch das, was seit Bekanntwerden des Abgasskandals bei Volkswagen nach und nach ans Licht der Öffentlichkeit kommt, hat am Ende tatsächlich viel Potenzial, das Vertrauen der Bürger in den Staat zu erschüttern: Jahrelang war schließlich bekannt, dass die angegebenen Abgaswerte deutlich von den tatsächlichen abwichen. In Europa zuckte man vielerorts nur mit den Achseln, wenn Umweltverbände Kritik übten. Erst als in den USA die Behörden die Machenschaften bei Volkswagen aufdeckten, rückte das Thema verstärkt in den Fokus.

In Deutschland gab es lediglich ein paar Rückrufe, wirklich große Veränderungen blieben aus. Und so fragt man sich, ob es anklagend oder hilflos klingt, wenn Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sagt, die Situation, in die uns die Automobilwirtschaft mit ihren hohen Stickoxid-Emissionen gebracht hat, sei völlig inakzeptabel.

Aktuelle Daten des Umweltbundesamtes zeigen jedenfalls, dass auch neue Euro-6-Diesel auf der Straße im Schnitt sechs Mal so viel Stickoxide ausstoßen wie erlaubt. Allerdings gelten die Grenzwerte der Euro-Abgasnormen bisher nur für Labortests. Insgesamt ist der Stickoxid-Ausstoß der deutschen Diesel-Flotte demnach immerhin um rund ein Drittel höher als bislang offiziell angenommen.

Dabei ist längst bekannt, dass Stickoxide den Atemwegen und dem Herz-Kreislauf-System schaden können. Die Europäische Union fordert deswegen von Deutschland seit Langem, mehr gegen die Stickoxid-Belastung zu tun - andernfalls drohen hohe Strafzahlungen. Und auch Gerichte haben schon Fahrverbote angedroht, sollten die Kommunen nicht mehr gegen die bei ihnen gemessene Stickoxidbelastung tun. Vielerorts wird daher über Fahrverbote nachgedacht. Doch die sollten eigentlich nur für alte Fahrzeuge gelten.

Dabei sind offenbar auch die Diesel-Fahrzeuge, die der strengsten Abgasnorm Euro 6 entsprechen, auf der Straße nicht so sauber wie vielfach von der Industrie gepriesen. Im Schnitt stoßen sie laut Umweltbundesamt 507 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus - der Grenzwert fürs Labor liegt bei nur 80 Milligramm. Um den Wert zu ermitteln, wurden laut UBA anders als bisher für betriebswarme Motoren Messungen bei allen in Deutschland typischen Außentemperaturen berücksichtigt. An kühlen Tagen steigt der Stickoxid-Ausstoß demnach stark an, auch wenn der Motor warm ist. Der Verband der Automobilindustrie will die neuen Messungen nicht überbewerten: "Im Ergebnis zeigt sich nichts Neues: Dass die Emissionen auf der Straße höher sind als im Labor, ist bekannt", heißt es in einer Stellungnahme.

Das Bundesverkehrsministerium will sich offiziell auf Anfrage gar nicht äußern und verweist lediglich auf alte Aussagen. Dabei ist das Haus von Minister Alexander Dobrindt (CSU) eigentlich zuständig für die Zulassung der Fahrzeuge. Das machte auch die SPD-Politikerin Hendricks noch einmal deutlich: "Ich als Umweltministerin bin zuständig für die saubere Luft." Alle Vorschläge, die sie unterbreitet habe, um den Kommunen Lösungswege an die Hand zu geben, seien jedoch abgelehnt worden, sagte Hendricks mit Blick auf eine "Blaue Plakette" für relativ saubere Autos. Dobrindt müsse die Industrie daher stärker in die Pflicht nehmen.

Das Interesse dürfte jedoch ein anderes sein. Laut "Süddeutscher Zeitung" blockiert die Regierung in der EU weitergehende Reformen der Abgastests und schärfere Sanktionen für Hersteller. Die Pläne sehen unter anderem eine gegenseitige Überprüfung der nationalen Zulassungsstellen vor, um eine zu große Nähe zur Autoindustrie zu vermeiden. Deutschland lehnt das ab.

(frin)
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