Wirtschaftskrise 680.000 Kurzarbeiter in NRW

Düsseldorf · Der Lockdown kostet die deutsche Wirtschaft 20 Milliarden Euro, auch wenn das dritte Quartal noch gut lief. Das Institut der deutschen Wirtschaft sieht einen „Klopapier-Effekt“ in der Industrie.

 Kurzarbeit hilft dem Arbeitsmarkt.

Kurzarbeit hilft dem Arbeitsmarkt.

Foto: dpa/Jan Woitas

Tristesse in vielen Innenstädten: Am ersten Tag des Teil-Lockdowns blieben Restaurants und Cafés landesweit geschlossen. Doch hinnehmen wollen das längst nicht alle Gastronomen: Allein beim Oberverwaltungsgericht in Münster gingen bis Montagnachmittag rund 20 Eil-Anträge gegen die neue Coronaschutz-Verordnung ein. Auch gesamtwirtschaftlich wird sich die Stilllegung schmerzhaft bemerkbar machen. „Der Teil-Lockdown kostet uns 20 Milliarden Euro, so viel geht uns an Wertschöpfung verloren“, sagte Michael Grömling, Konjunktur-Experte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, unserer Redaktion. „Für 2020 erwarten wir eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 5,5 Prozent.“

Das dritte Quartal sei zwar überraschend gut gelaufen, die deutsche Industrie werde in Kürze gute Zahlen melden. Sie profitiert beispielsweise vom starken Wachstum in China. Doch: „Womöglich gibt es auch in der Industrie einen Klopapier-Effekt: Unternehmen decken sich mit Vorprodukten ein, aus Sorge, dass ihre Zulieferer im Winter wegen der Quarantäne der Mitarbeiter nicht liefern können“, so Grömling. „Und im vierten Quartal treten wir wegen des Teil-Lockdowns auf der Stelle.“ Seine Hoffnung: „Wenn die Geschäfte im Dezember geöffnet bleiben, könnte es dort wegen der Mehrwertsteuer-Senkung noch einen Last-Minute-Boom geben, schließlich läuft diese Maßnahme am 31. Dezember aus.“

Nordrhein-Westfalen ist bislang zwar besser als die Länder Bayern und Baden-Württemberg durch die Krise gekommen, die besonders stark von der Automobilindustrie abhängig sind. Doch auch hier bricht die Wirtschaft in diesem Jahr ein. Dieses Bild bestätigt die aktuelle Kurzarbeits-Schätzung des Münchener Ifo-Instituts. Hier liegt NRW auf Platz drei hinter Baden-Württemberg und Bayern. In NRW waren im Oktober 680.000 Menschen in Kurzarbeit, das sind zehn Prozent aller Beschäftigten. In Bayern waren es 706.000 Menschen, das sind zwölf Prozent In Baden-Württemberg waren es dem Ifo zufolge sogar 13 Prozent. „2021 wird auch zur Nagelprobe für den Arbeitsmarkt, in diesem Jahr rettet ihn noch die Kurzarbeit“, sagt IW-Experte Grömling.

Schon jetzt machen sich Flaute und Senkung der Mehrwertsteuer bei den Preisen bemerkbar. Die Verbraucherpreise in Nordrhein-Westfalen blieben in den vergangenen zwölf Monaten nahezu unverändert. Der Verbraucherpreisindex für NRW ist im Oktober gegenüber dem Vorjahr gar um 0,2 Prozent gesunken. Das lag vor allem daran, dass Energie günstiger wurde: Heizöl ist um 35,9 Prozent günstiger als vor einem Jahr, bei den Kraftstoffen sind es 8,9 Prozent. Die Furcht vor einer Nachfrage-Delle wegen weiterer Corona-Beschränkungen in Europa drückten den Ölpreis: Ein Barrel der Sorte Brent verbilligte sich am Montag um 3,5 Prozent auf 36,60 Dollar.

Durch den neuen Teil-Lockdown dauert es auch länger, bis die deutsche Wirtschaft wieder in Gang kommt. „Die Erholung auf das Vorkrisen-Niveau wird sich bis 2022 hinschleppen“, meint IW-Experte Grömling.

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