Creditreform-Statistik 450.000 Rechnungen in NRW zu spät bezahlt

Düsseldorf · Die Zahlungsmoral hat sich zuletzt verbessert. Am Bau ist die Lage indes düster – sowohl landes- als auch bundesweit. Mitschuld daran tragen auch der Bund, die Länder und die Kommunen.

Viele Rechnungen werden zu spät bezahlt. (Archiv, Symbol)

Viele Rechnungen werden zu spät bezahlt. (Archiv, Symbol)

Foto: Gerhard Seybert/Seybert, Gerhard (seyb)

Seit dem Frühsommer 2020 lagen Unternehmen und die öffentliche Hand in Nordrhein-Westfalen beim Thema Zahlungsverzug meist mehr oder weniger deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Doch das hat sich zuletzt deutlich verbessert, wie aus einer Statistik der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervorgeht. Demnach lag der durchschnittliche Verzug in NRW im März dieses Jahres bei 9,26 Tagen leicht unter dem Bundesdurchschnitt (9,3 Tage). Besser als das bevölkerungsreichste Bundesland schneiden in dieser Statistik aktuell nur Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen ab. Unrühmlicher Spitzenreiter ist Berlin mit einem mittleren Zahlungsverzug von mehr als zwölf Tagen. Der Verzug beginnt per Definition, wenn das von dem Gläubiger eingeräumte Zahlungsziel überschritten wird.

Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, begründet die positive Entwicklung in Nordrhein-Westfalen unter anderem so: „Viele Unternehmen sind nach der Krise wieder mit ausreichend Liquidität ausgestattet.“ Das Feld sei bereinigt, vom Markt verschwunden seien in Zeiten von Corona und Ukraine-Krieg unter anderem Unternehmen aus den Bereichen Handel, Dienstleistungen und Gastronomie. Also aus jenen Sparten, die unter Zwangsschließungen in der Pandemie und/oder unter der mangelnden Konsumbereitschaft der Verbraucherinnen und Verbraucher wegen gestiegener Energie- und Lebensmittelkosten gelitten haben.

Wenn solche  Unternehmer ihre Geschäfte aufgeben, tun sie das häufig still und leise. In den Zahlen zu den Insolvenzantragen an den deutschen Amtsgerichten tauchen sie dann nicht mehr auf. Wo das doch passiert, sind die Anträge mitunter von Sozialversicherungsträgern und Finanzämtern gestellt worden, bei denen die Schuldner mit Steuerzahlungen respektive Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung tief in der Kreide stehen.

Die Zahlen, die NRW  aktuell in Sachen Zahlungsverzug abliefert, sind eine Momentaufnahme. Ob das so bleibt, hängt auch an der konjunkturellen Entwicklung, und für die ist unter anderem die Situation in der Baubranche ein regelmäßig guter Indikator. Nimmt man diese Zahlen als Grundlage, ist die Perspektive eher trüb. Denn am Bau liegt in Nordrhein-Westfalen der Zahlungsverzug mit 13,6 Tagen um etwa 50 Prozent über dem durchschnittlichen Verzug für alle Branchen. „Viele Bauunternehmen haben Probleme, ihre Rechnungen zu bezahlen“, sagt Hantzsch. Wobei die Entwicklung zweigeteilt ist. Auf der einen Seite bereiten der deutliche Anstieg der Bauzinsen und die allgemeine Steigerung bei den Baukosten nicht nur privaten Bauherren  Probleme, sondern auch Profis im Hoch- und Tiefbau. „Es gibt viele Entwickler, die gerade Projekte stornieren, beispielsweise für Büroflächen“, so Hantzsch. Dagegen liefen vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die Klimawende energetische Sanierungsmaßnahmen deutlich besser, so der Creditreform-Experte. Aber das reicht nicht aus, um Probleme im Hoch- und Tiefbau  branchenweit zu beseitigen. Es fehlen Aufträge und Einnahmen, die Rechnungen müssen aber trotzdem bezahlt werden.

Das Problem wird umso gravierender, wenn die öffentliche Hand, traditionell einer der großen Auftraggeber für die Baubranche, selbst ein schlechter Zahler ist. Ein Anstieg auf 547 Schuldner unter anderem bei Land und Kommunen, die nicht rechtzeitig ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen, bedeutet immerhin ein prozentuales Plus von 7,7 Prozent in Nordrhein-Westfalen. Bundesweit ist die Entwicklung ähnlich. Das Dilemma: Bei so mancher Stadt oder Gemeinde in Deutschland klemmt es finanziell gewaltig, und darunter leiden auch deren Gläubiger.

Das ist kein neues Phänomen, aber es trifft den Bau gegenwärtig stärker als sonst. Die Folge: Gegenüber dem vergangenen Jahr ist die Zahl der Bauunternehmen mit Zahlungsverzug in NRW um mehr als ein Viertel auf 12.753 gestiegen. Bei 68.266 überfälligen Rechnungen insgesamt heißt das: Jeder Schuldner hat im Schnitt fünf bis sechs Rechnungen nicht pünktlich beglichen. Zum Vergleich: Im Juni 2020 lag die Zahl der Bauunternehmer  im Verzug noch deutlich unter der 8000er-Marke.

Gleichzeitig hat Nordrhein-Westfalen mit seinen Zahlen besser abgeschnitten als der Durchschnitt der deutschen Baubranche. Auf Bundesebene hat sich die Zahl der säumigen Zahler binnen knapp drei Jahren fast verdoppelt. „Aktuell liegen für Deutschland im Baugewerbe 352.591 überfällige Rechnungen zu 70.823 Betrieben vor“, schreibt Creditreform.

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