Düsseldorf "Unsere Luft ist besser denn je"

Düsseldorf · Matthias Wissmann, Chef des Verbandes der Automobilindustrie, lobt die Leistung der eigenen Branche zum Jahresabschluss in den höchsten Tönen. Ganz so schön fällt die Bilanz dann aber doch nicht aus.

Man kann die aktuelle Lage so beschreiben: Die Nervosität ist groß, schon ab Februar drohen in vielen deutschen Städten Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge, weil die Stickoxid-Belastung zu hoch ist. Das liegt zu einem großen Teil an der Autoindustrie, deren Fahrzeuge deutlich schmutziger sind, als es die Werbung suggeriert. Und obwohl das alles klar ist und die Unternehmen Milliarden-Gewinne erzielen, muss den Großteil der Kosten für einen geplanten Dieselfonds der Steuerzahler tragen.

Oder man beschreibt die Lage so wie der oberste Auto-Lobbyist Matthias Wissmann: "Es gibt keinen Grund für Hysterie", sagte der Chef des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) gestern in Berlin: "Die Luft in unseren Städten ist heute besser denn je." Die verkehrsbedingten Stickoxidemissionen seien zwischen 1990 und 2015 laut Umweltbundesamt um 70 Prozent zurückgegangen, obwohl die Verkehrsleistung gleichzeitig gestiegen sei. Dennoch arbeiteten Industrie, Bund, Länder und Kommunen intensiv daran, die Luftqualität in Städten weiter zu verbessern. Dabei geht es laut Wissmann weiterhin darum, Fahrverbote zu vermeiden.

Um diese zu verhindern, hatten sich Politik und Autoindustrie eigentlich auf die Einrichtung eines Dieselfonds geeinigt. Doch in diesem Fonds für bessere Stadtluft bleibt vorerst eine Finanzierungslücke von rund 90 Millionen Euro. Den Beitrag der deutschen Hersteller bezifferte Wissmann ihrem Marktanteil entsprechend auf "etwa 160 Millionen Euro". Insgesamt soll die Branche 250 Millionen Euro zum Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro beisteuern. Für den Rest muss der Steuerzahler aufkommen.

Bislang weigern sich allerdings auch die ausländischen Autobauer, sich an dem Fonds zu beteiligen. Der Präsident des Importeursverbands VDIK, Reinhard Zirpel, hatte Dienstag gesagt, Investitionen zur Reduzierung der Emissionsbelastungen sollten aus Steuergeldern finanziert werden und seien keine Angelegenheit der Hersteller.

Scharfe Kritik an der Industrie gibt es vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Der Sprecher des ökologisch ausgerichteten Clubs, Gerd Lottsiepen, fordert, dass sich auch die ausländischen Hersteller an dem Fonds beteiligen. "Andererseits versuchen die deutschen Hersteller, sich aus der Verantwortung zu stehlen", sagte Lottsiepen. Der fehlende Betrag für den Fonds sei "lächerlich". VW habe allein in den USA zur Bewältigung des Abgas-Skandals über 20 Milliarden Dollar bezahlt.

Und die Geschäfte der deutschen Hersteller laufen weiter hervorragend. Der Gesamtumsatz der deutschen Automobilindustrie erhöhte sich in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres laut VDA um vier Prozent auf 312 Milliarden Euro. Gleichzeitig konnten die Hersteller auch ihren Weltmarkt-Anteil steigern. Nahezu jeder fünfte Pkw weltweit kam laut VDA aus deutscher Produktion. Bis zum Jahresende könnten es 16,4 Millionen Fahrzeuge sein, vier Prozent mehr als im Vorjahr. Zumindest in Deutschland dürfte der Absatz im kommenden Jahr allerdings leicht um rund zwei Prozent auf etwa 3,4 Millionen Fahrzeuge zurückgehen, heißt es. Ein Grund dafür ist, dass der Effekt der Umtauschprämien für ältere Diesel-Autos nachlässt, durch die die Hersteller den Verkauf derzeit ankurbeln.

Die Münchner Staatsanwaltschaft prüft unterdessen, ob gegen BMW ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) behauptet, man habe in einem Dieselfahrzeug von BMW Anhaltspunkte für eine unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt. Der Autobauer wies diesen Vorwurf entschieden zurück. Noch ist allerdings unklar, ob ausreichend Verdachtsmomente vorliegen.

(frin)
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