Koalitionsverhandlungen Union und SPD wollen Windstromförderung kappen

Berlin · Union und SPD wollen die Förderung neuer Windräder gerade in Norddeutschland deutlich kürzen - planen aber dennoch bis 2020 einen Ökostrom-Anteil von bis zu 40 Prozent. Das sieht ein Textentwurf der Arbeitsgruppe Energie für den Koalitionsvertrag vor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Noch strittig ist das Ziel für 2030: Die Union will einen Ökostrom-Anteil von 50 bis 55 Prozent, die SPD von 75 Prozent. Zur Windenergie an Land heißt es: "Bei windstarken Standorten werden wir die Fördersätze deutlich senken." Der Ausbau soll auf gute Standorte konzentriert werden.

Damit könnte der Ausbau in Binnenländern wie Baden-Württemberg, Bayern oder Hessen niedriger ausfallen. Das Ziel beim Ausbau der Windparks in Nord- und Ostsee wird von 10.000 auf 6500 Megawatt bis 2020 gesenkt. Obwohl es die Ökostrom-Umlage stark belasten könnte, wird eine Verlängerung des sogenannten Stauchungsmodells erwogen, das bis 2017 eine Anfangsvergütung von 19 Cent die Kilowattstunde vorsieht. Aber das ist noch strittig. Gerade die Küstenländer fürchten einen Zusammenbruch des Offshore-Ausbaus.

Bisher erhalten Solar-, Windkraft- und Biomasseanlagenbesitzer auf 20 Jahre garantiert feste Vergütungen. Die Differenz zwischen dem für den Strom erzielten Preis und der Vergütung wird über die Erneuerbare-Energien-Umlage auf die Strompreise gewälzt. Derzeit sind es 5,23 Cent je Kilowattstunde, 2014 werden es 6,24 Cent sein. Der Umlagebetrag wird von 20,3 auf über 23,5 Milliarden Euro steigen.

Insgesamt enthält der Textentwurf noch viele Klammern. Aus Verhandlungskreisen hieß es am Freitag am Rande des vierten Treffens, es gebe noch keinen Konsens. Am Samstag soll es bei einem fünften Treffen in der SPD-Zentrale eine Einigung geben, da die große Verhandlungsrunde das Kapitel am Montag abschließen soll.

Anlagebetreiber sollen Strom künftig selbst vermarkten

Damit sich erneuerbare Energien, die beim Strom bereits einen Anteil von 25 Prozent erreicht haben, stärker dem Wettbewerb stellen müssen, sollen Anlagebetreiber künftig ihren Strom selbst vermarkten - bisher kümmern sich die Übertragungsnetzbetreiber darum. Statt auf 20 Jahre garantierte Vergütungen soll es schrittweise Marktprämien geben, als Ergänzung zu dem am Markt für den Grünstrom erzielten Preis.

Beim Ausbau wird der Biomasse nur noch eine begrenzte Chance gegeben. Es gelte, eine weitere "Vermaisung" der Landschaft zu verhindern. "Der Zubau von Biomasse wird auf Abfall und Reststoffe begrenzt", heißt es im Entwurf. Bei der Solarenergie wird kein weiteres Handeln als notwendig erachtet. Nach enorm hohen Zubauzahlen hatten sich Bund und Länder bereits 2012 auf eine Reform geeinigt, die bei einer installierten Leistung von 52.000 Megawatt keine weitere Förderung von Neuanlagen vorsieht. Dieser Punkt könnte in rund drei Jahren erreicht sein. Zudem gibt es bei einer bestimmten Zubaumenge derzeit schon automatische Förderkürzungen.

Beim Klimaschutz wird für Deutschland am Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasen bis 2020 (im Vergleich zu 1990) festgehalten, in der Europäischen Union wird bis 2030 die Minderung um 40 Prozent gefordert. Bei den Industriestrom-Rabatten sollen alle begünstigten Branchen "anhand europarechtskonformer Kriterien" unter die Lupe genommen werden. Damit die Ökostrom-Umlage für die Bürger nicht auch dadurch weiter steigt, dass immer mehr Unternehmen durch eine Eigenstromerzeugung als Umlagezahler ausfallen, sollen diese mit einer Mindestumlage an der Ökostrom-Finanzierung beteiligt werden.

Generelle Extraprämien für Gas- und Kohlekraftwerke, die sich wegen der Zunahme an Ökostrom nicht mehr rentieren, aber gerade im Winter zur Sicherung der Versorgung gebraucht werden, sind vorerst nicht geplant. Bis Ende 2015 könnte hier eine Lösung für sogenannte Kapazitätsmärkte angestrebt werden, wo es nicht mehr nur für die Stromproduktion Geld gibt, sondern auch Prämien dafür, dass eine gesicherte Leistung rund um die Uhr garantiert werden kann. Aber dieser Punkt ist noch strittig. Derzeit kann unrentablen, aber als systemrelevant eingestuften Kraftwerken gegen Entschädigungen die Stilllegung untersagt werden, so dass vorerst keine Engpässe drohen.

Der Grünen-Politiker Oliver Krischer kritisierte, es gebe in vielen Bereichen nur vage Lyrik und Formelkompromisse. Die Pläne lösten "totale Verunsicherung" aus. "Weder die erneuerbare noch die konventionelle Energiewirtschaft weiß woran sie ist." So schaffe man nicht die notwendige Investitionssicherheit für die Energiewende.

(dpa)
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