Preise könnten weiter steigen Alarmstufe bei Gas wird vorbereitet

Düsseldorf/Berlin · Die Nervosität wegen einer drohenden Energieknappheit steigt. Nachdem der Bund bereits die erste Stufe des Notfallplans ausgerufen hat, könnte bald der nächste Schritt kommen. Das könnte Brennstoff noch teurer machen.

Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL

Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL

Foto: dpa/Stefan Sauer

Nachdem die Bundesregierung wegen drohender Engpässe bei Gaslieferungen aus Russland vor Wochen die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen hat, könnte bald der nächste Schritt folgen. Laut der Zeitung „Die Welt“ wird die Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans für die nächsten fünf bis zehn Tage vorbereitet. Dies habe die Bundesregierung Mitgliedern des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft signalisiert.

Die „FAZ“ hatte am Mittwoch zunächst berichtet, am 8. Juli werde diese zweite Stufe des Notfallplans ausgerufen. Dies habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in einem Bundestagsausschuss gesagt. Doch nachdem das Wirtschaftsministerium eine solch konkrete Festlegung dementiert hatte, ruderte die Redaktion etwas zurück: Es könne sein, dass am 8. Juli die zweite Stufe im Notfallplan Gas ausgerufen werde. Eine Sprecherin Habecks sagte: „Wir entscheiden nach aktueller Lage. Das ist das, was der Notfallplan und die gesetzlichen Regelungen vorsehen.“

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Donnerstag, Habeck werde einem Insider zufolge bereits am Donnerstag die Gas-Alarmstufe ausrufen. Für 10 Uhr ist eine Pressekonferenz zum Thema Energie und Versorgungssicherheit mit dem Grünen-Politiker geplant.

Tatsache ist, dass sich die Lage am Gasmarkt zuspitzt. Russland liefert über die Pipeline Nordstream 1 nur noch 40 Prozent der üblichen Menge; nun könnten Reparaturen Mitte Juli als Vorwand für einen zumindest zeitweisen kompletten Lieferstopp herhalten. Weil aber Bundesregierung und Bundesnetzagentur die deutschen Gasspeicher von aktuell rund 58 Prozent Füllstand bis auf mindestens 90 Prozent erhöhen wollen, soll der aktuelle Verbrauch, wo immer möglich, gedrosselt werden. Mit einer bundesweiten Kampagne wirbt der Staat dafür, dass auch Privatkunden Gas sparen – beispielsweise durch effizientere Duschköpfe im Bad.

In der aktuellen Frühwarnstufe beobachten die Bundesregierung und die Energiekonzerne bereits intensiv den Markt und überlegen gemeinsam, wie die Versorgung Deutschlands gesichert werden kann. In der nun anstehenden Alarmstufe kommt es zwar noch zu keinen Zwangsabschaltungen von Industriekunden wie in der Notfallstufe, aber Spediteure und Gaskunden können von den Behörden gebeten werden, freiwillig mehr Gas zu liefern oder weniger zu verbrauchen.

Online-Grafik Gasspeicher.

Online-Grafik Gasspeicher.

Foto: Grafik: Ferl

Auf diesem  Wege versuchen Habeck und Netzagentur-Chef Klaus Mülller nun, das Befüllen der Speicher voranzutreiben. Am 8. Juli soll der Bundestag ein Gesetz verabschieden, das die Bereitstellung von  Ersatzkraftwerken regelt, damit weniger Gas zur Stromerzeugung genutzt wird. Eigentlich zur Stilllegung vorgesehene Kohlekraftwerke könnten dann einspringen. Davon wären auch Evonik und Henkel betroffen: Der Bund hätte gerne, dass die zwei Chemieriesen ihre Kohlekraftwerke in Düsseldorf beziehungsweise Marl länger laufen lassen und nicht durch Gaskraftwerke ersetzen. Ein Evonik-Sprecher sagt dazu: „Wir können und wollen unser Kohlekraftwerk am Standort Marl, das planmäßig Ende Oktober vom Netz gehen sollte, länger betreiben.“

Um Gas zu sparen, will Habeck die Industrie mit einem Auktionsmodell belohnen, wenn sie weniger verbraucht als geplant. Angebote können über Plattformen des Gashändlers Trading Hub Europa eingereicht werden. Zumindest die BASF, Deutschlands größter Gasverbraucher, könnte interessiert sein: Deren Chef Martin Brudermüller sagte im  „Spiegel“, im absoluten Notfall könne der Konzern auf die Hälfte des Gases verzichten. Thyssenkrupp erklärte, es gebe nur wenige Möglichkeiten, den Gasverbrauch herunterzufahren. Bis zu einer „bestimmten Schwelle“ seien Ausfälle „aber verkraftbar.“ Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) erklärte, maximal drei Prozent des von der Branche genutzten Gases könnten durch andere Energien ersetzt werden. Umso wichtiger sei also, für den Winter die Speicher zufüllen.

Angesichts dieser Lage fordern CDU und FDP vehement, die Laufzeit der drei noch aktiven Kernkraftwerke in Deutschland deutlich über das Jahresende hinaus zu verlängern. Dann könnten beispielsweise einige Millionen Haushalte zeitweise mit Strom heizen statt mit Gas. Grüne, SPD sowie die Stromkonzerne RWE und Eon lehnen die Verlängerung bisher ab.

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