Türkische Lira Erdogan redet die Probleme klein

Istanbul · Die Lira-Schwäche und die politische Unsicherheit in der Türkei beginnen auf die Banken abzufärben. Ein paar Wochen vor der Wahl kommt das dem Staatschef ungelegen.

 Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, bei einer Wahlkampfveranstaltung (Archiv).

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, bei einer Wahlkampfveranstaltung (Archiv).

Foto: dpa/Uncredited

Für die Aktionäre der türkischen Banken hat der Juni schlecht begonnen. Am vergangenen Freitag gab der Banken-Index der Istanbuler Börse um vier Prozent nach. Die Papiere der Türkiye Garantie Bankasi, des zweitgrößten privaten Geldinstituts des Landes, verloren sogar 5,6 Prozent. Anlass war eine Mitteilung der Ratingagentur Fitch: Die Agentur setzte 25 türkische Banken auf „Rating Watch Negative“, was bedeutet, dass Fitch eine Herabstufung der Geldinstitute prüft. Zur Begründung nannte die Agentur Besorgnisse über die Qualität der Aktiva, die Kapitalisierung und die Liquidität der Banken.

In den vergangenen Jahren sind die türkischen Banken mit Erdogan gut gefahren. Mit riesigen Infrastrukturprojekten, Subventionen und staatlichen Kreditbürgschaften kurbelte der Staatschef die Investitionen und den privaten Verbrauch an. So wuchs die türkische Wirtschaft im vergangenen Jahr um 7,4 Prozent und überflügelte damit sogar China und Indien. Die Banken verdienten prächtig an dem künstlichen Boom. Jetzt müssen die Geldinstitute fürchten, dass ihnen, wie der türkischen Wirtschaft insgesamt, eine Crash-Landung droht.

Die Lira hat seit Beginn des Jahres rund ein Fünftel ihres Außenwerts verloren. Die Abwertung bringt immer mehr türkische Firmen in Schwierigkeiten. Unternehmen, die Fremdwährungskredite aufgenommen haben, aber Erlöse in heimischer Währung erwirtschaften, müssen immer mehr Lira für den Schuldendienst aufwenden. Mehrere Großkonzerne mussten bereits umschulden.

Die türkischen Unternehmen sitzen auf Fremdwährungskrediten von mehr als 330 Milliarden Dollar. Ein Großteil davon entfällt auf ausländische Banken. Mit fast 83 Milliarden sind spanische Banken am stärksten engagiert, gefolgt von französischen mit gut 34 Milliarden. Deutsche Geldinstitute haben am Bosporus Darlehen von knapp 13 Milliarden vergeben, Schweizer Banken knapp sechs Milliarden Dollar.

Ein weiteres Risiko ist die Verflechtung von zwei europäischen Großbanken mit dem türkischen Finanzsektor: Die spanische BBVA hält knapp 50 Prozent an der Garantie Bankasi, und die italienische UniCredit ist mit gut 40 Prozent an Yapi Kredi beteiligt, der viertgrößten türkischen Bank. Auch die niederländischen Finanzdienstleiter ING und Rabobank sind in der Türkei engagiert. Analysten warnen vor der Gefahr, dass der Lira-Absturz zu einer türkischen Bankenkrise führen könnte, die auch europäische Geldinstitute in Mitleidenschaft ziehen würde.

Der türkischen Regierung kommen diese Krisenszenarien so kurz vor den Wahlen denkbar ungelegen. Nachdem Erdogan den Lira-Verfall bereits als „Verschwörung ausländischer Mächte“ hinstellte, tut Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci jetzt die Warnung der Ratingagentur Fitch als „manipulativ und spekulativ“ ab. Nach der Wahl würde die Agentur ihre Bewertung ändern, meint Zeybekci. Möglich, dass Fitch das Rating revidiert – aber wahrscheinlich nicht zum Besseren.

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