Essen ThyssenKrupp: Lehner wird Aufsichrats-Chef

Essen · Nach dem Rücktritt von Gerhard Cromme übernimmt der Präsident der IHK Düsseldorf das Spitzenamt. Lehner muss den Essener Mischkonzern aus der tiefsten Krise seiner Geschichte führen. Er kündigte an, dass er nun andere Mandate niederlegen wird.

Fünf Tage nach dem Rücktritt von Gerhard Cromme steht der neue Chef des ThyssenKrupp-Aufsichtsrates fest: Der frühere Henkel-Chef Ulrich Lehner wird Oberaufseher des angeschlagenen Stahlkonzerns. Das teilte das Unternehmen gestern Abend nach getrennten Beratungen der Anteilseigner- und Arbeitnehmer-Seite mit. In einer Sondersitzung des Gremiums am 19. März soll Lehner offiziell gewählt werden.

Der 66-Jährige gehört dem Aufsichtsrat bereits seit 2008 als einfaches Mitglied an. "Die aktuellen Herausforderungen erfordern eine umfassende Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats. Daher haben sich Anteilseigner und Arbeitnehmervertreter für eine interne Lösung entschieden", erklärte das Unternehmen. Aktionärsschützer hatten zuvor einen neuen Chef von außen gefordert. Doch der hätte sich erst einarbeiten müssen.

Lehner kündigte an, dass er den Aufsichtsrat neu aufstellen und die Themen Corporate Governance (gute Unternehmensführung) und Compliance (sauberes Management) zu den Schwerpunkten seiner Arbeit machen will. ThyssenKrupp steckt nicht nur wegen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Krise, sondern war auch wegen Luxusreisen etwas des früheren Compliance-Vorstandes Jürgen Claassen und von Aufsichtsräten in die Kritik geraten.

Am Rande einer Veranstaltung gestern Abend in Düsseldorf sagte Lehner: "Ich unterstütze den Vorstand bei der Neuausrichtung des Konzerns, die ich für richtig halte – auch bei dem kulturellen Wandel, den Konzern-Chef Hiesinger einfordert." Er selbst sieht seine Rolle als die "eines ruhigen Unterstützers".

Schon früh soll sich Berthold Beitz, der als Chef der Krupp-Stiftung die Fäden bei ThyssenKrupp zieht, auf den gebürtigen Düsseldorfer festgelegt haben. Lehner war viele Jahre Chef des Henkel-Konzerns und weiß seitdem, wie Traditions-Unternehmen ticken, in denen Eigentümerfamilien eine zentrale Rolle spielen.

Als langjähriger Aufsichtsrats-Chef der Deutschen Telekom hat er zudem gezeigt, wie man skandalgeschüttelte Konzerne aus den Schlagzeilen holt. Bei der Telekom stellte er wegen der Spitzel- und Datenschutzskandale 2008 extra einen Vorstand für Compliance ein und sorgte für einen Ausgleich zwischen der Arbeitnehmer- und Anteilseigner-Seite.

In der vergangenen Woche soll Berthold Beitz sich bereits mit Lehner getroffen haben. Dabei soll der 99-Jährige auch deutlich gemacht haben, dass er von dem neuen Aufsichtsrats-Chef die volle Hingabe für den angeschlagenen Konzern wünscht. Dem folgte der Vater dreier Kinder. "Prof. Lehner hat angekündigt, im Falle seiner Wahl auf Mandate zu verzichten, die er bisher wahrnimmt, um sich der neuen Aufgabe widmen zu können", erklärte ThyssenKrupp. Welche dies sind, wurde gestern nicht bekannt. Beitz hatte früher schon die Mandats-Häufung bei Gerhard Cromme offen kritisiert, der seit vielen Jahren parallel den Siemens-Aufsichtsrat führt. Auch Lehner hat viele Mandate: Er ist nicht nur Aufsichtsrats-Chef der Telekom, sondern auch Präsident der IHK Düsseldorf und einfaches Aufsichtsratsmitglied bei Eon und Porsche. Zudem sitzt er im Verwaltungsrat des Schweizer Pharma-Hersteller Novartis. Gegen Aufsichtsräte von Porsche wird im Zusammenhang mit der Übernahme durch Volkswagen ermittelt, gegen Verantwortliche von Novartis wegen der hohen Abfindung für den scheidenden Novartis-Chef Daniel Vasella. Doch dies hielt Beitz offenkundig nicht für gravierend.

Bei ThyssenKrupp hat Lehner als neuer Aufsichtsrats-Chef viel zu tun: Kartellprozesse lähmen das Geschäft, die Stahlwerke in Amerika müssen verkauft werden. Zudem will der Vorstand 2000 Stellen im kriselnden Stahlgeschäft abbauen. Der Betriebsrat forderte gestern den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und will eine Vereinbarung mit dem Vorstand schließen.

Noch offen ist, wer Gerhard Cromme in der Krupp-Stiftung beerbt. Eine Doppelrolle, wie der 70-Jährige sie hatte, soll es jedenfalls nicht noch einmal geben.

(RP)
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