Düsseldorf ThyssenKrupp: Gipfeltreffen in Düsseldorf

Düsseldorf · Der neue Aufsichtsratschef Ulrich Lehner und Vorstandschef Heinrich Hiesinger treten im Industrieclub erstmals gemeinsam auf. Von dem Duo wird die Rettung eines Konzerns erwartet. Wie können die beiden miteinander?

 Führungsfiguren bei ThyssenKrupp: Vorstandschef Heinrich Hiesinger (links) und der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Lehner.

Führungsfiguren bei ThyssenKrupp: Vorstandschef Heinrich Hiesinger (links) und der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Lehner.

Foto: andreas endermann

Ihr Umgangston ist respektvoll, pragmatisch und mit einer feinen Prise Ironie gewürzt. Dabei neigen ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger und sein neuer Aufsichtsratschef Ulrich Lehner gar nicht zur Ironie. Die beiden Männer, die gemeinsam ThyssenKrupp retten sollen, begegnen sich noch mit jener "Übergangs-Ironie", mit der man sich eben begegnet, wenn man sein Gegenüber zwar schon schätzen, aber noch nicht einzuschätzen gelernt hat. "Guten Abend, Herr Aufsichtsratsvorsitzender", begrüßt Hiesinger (52) den 14 Jahre älteren Lehner. "Ausgesprochen erfreut", antwortet Hiesingers Kontrolleur. Kräftiger Händedruck, spitzes Schmunzeln.

Die beiden stehen im "Clubraum", einem Hinterzimmer des Düsseldorfer Industrieclubs. Die Nachbarzimmer heißen "Salon Essen" und "Salon Duisburg". Es ist eine der wenigen Adressen in Düsseldorf, in denen man noch Zigarre raucht. Minuten später beginnt am Dienstagabend ihr erster gemeinsamer Auftritt, seit Lehner vor gut einem Monat die Nachfolge von Gerhard Cromme an der Spitze des Kontrollgremiums angetreten hat.

Der Saal ist voll. Noch voller als sonst, wenn die ehrwürdige Düsseldorfer IHK und der vielleicht noch ehrwürdigere Industrieclub zu ihrer Vortragsreihe "Industrieland Deutschland" einladen. Lehner, zugleich Präsident der IHK, hatte Hiesinger um den Gastbeitrag gebeten. "ThyssenKrupp steht für die Industrie", eröffnet Lehner den Abend, "ThyssenKrupp steht aber auch für große Probleme. Und Heinrich Hiesinger steht für die Lösung dieser Probleme."

Dass die Lösung "dieser Probleme" jetzt auch von ihm erwartet wird, sagt der ehemalige Henkel-Chef nicht. Denn "diese Probleme", die ThyssenKrupp inzwischen in der Existenz bedrohen, haben nämlich eine Konstante: den Aufsichtsrat. Die Kontrolleure haben weder die milliardenschweren Fehlinvestitionen noch die Serie von Kartell- und Korruptionsskandalen rechtzeitig gestoppt, mit denen ThyssenKrupp sich vor Hiesingers Zeit wirtschaftlich und moralisch ins Abseits manövriert hat. Deshalb will Hiesinger den Konzern "von Grund auf neu bauen", wie er kürzlich bei anderer Gelegenheit sagte. Deshalb musste Cromme gehen. Deshalb wurde Lehner sein Nachfolger.

Vor diesem Hintergrund hatten die Worte, mit denen Lehner Hiesinger anmoderierte, einen doppelten Boden. "Es genügt heute eben nicht mehr, nur im Kerngeschäft erfolgreich zu sein. Man muss auch das Andere im Griff haben", sagte Lehner. Meinte er damit Hiesingers hartes Vorgehen gegen die alten Seilschaften bei ThyssenKrupp? Oder meinte er nur Hiesingers Thesen? Der sprach in seinem anschließenden Vortrag über den "Erfolg der deutschen Industrie", deren "Bedeutung von Politik und Öffentlichkeit oft unterschätzt" werde, weshalb die Politik sie mit einseitigen Öko-Zielen "leichtfertig aufs Spiel" setze. Hiesingers Anklage: "Die Klimapolitik bestimmt den Rahmen, die Energiepolitik muss sich danach richten. Den kümmerlichen Rest nennen wir dann Industriepolitik."

Ein sehr guter Vortrag über die schlechten Chancen und die unterschätzten Risiken aktueller Klimapolitik, mit dem der ThyssenKrupp-Chef in diesen Tagen auch durch die Berliner Politik tourt. Aber in Düsseldorf ging es dem Publikum weniger um Hiesingers Ansichten. Die meisten wollten beobachten, ob und wie das neue Duo an der Spitze von ThyssenKrupp miteinander kann.

Am Ende fragte Lehner Hiesinger: "Sie haben heute viel vom Können der Industrie gesprochen. Früher nannten sie das Ingenieurskunst. Was ist Ihnen lieber?" Hiesingers Antwort: "Wenn Kunst in Wirkung umspringt, ist es Können."

(RP)
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