Düsseldorf Thomas Cook muss sparen

Düsseldorf · Der Reise-Riese ist in schweres Fahrwasser geraten. Der Konzern ist nicht mehr halb soviel wert wie zu Jahresanfang. Jetzt werden Vertriebsleitungen geschlossen. Reisebüros berichten von Problemen bei Reklamationen.

Die Krise des zweitgrößten deutschen Reiseveranstalters Thomas Cook erreicht die Reisebüros. Wie der Konzern auf Anfrage bestätigte, werden drei der vier bundesweiten Vertriebsleitungen geschlossen – darunter die in Meerbusch. Dort wurden nach Angaben eines Konzernsprechers auch "etwa zwei bis drei" Kündigungen ausgesprochen. Übrig blieben nur die Vertriebsleitung in München sowie eine neue Vertriebsmannschaft am Sitz der Deutschland-Zentrale in Oberursel. Zwar sind von der Umstrukturierung nur ein paar Dutzend der konzernweit 4500 Mitarbeiter betroffen. Trotzdem gilt sie in der Branche als dramatisches Signal. Als Bestätigung für das schon länger kursierende Gerücht, der Konzern wolle sich komplett aus dem Vertrieb über konzernunabhängige Reisebüros zurückziehen und künftig vor allem über das Internet verkaufen.

Thomas Cook betreibt in Deutschland etwa 130 konzerneigene Reisebüros, verkauft aber auch über etwa 10 000 unabhängigen Vertriebspartner. "Wir steigen nicht aus dem Vertrieb über Reisebüros aus, mit denen machen wir drei Viertel unseres Umsatzes", sagte der Sprecher. Wieviel davon auf die rund 130 konzerneigenen Reisebüros entfällt, wollte er jedoch nicht sagen. Er bestätigte, dass die Londoner Thomas-Cook-Zentrale derzeit mit großem Aufwand einen europaweiten Internet-Vertrieb aufbaue. Das Drei-Jahres-Projekt werde "voraussichtlich ab 2013 voll einsatzbereit" sein, so der Sprecher.

Die Vertriebsleitungen in Hamburg, München, Berlin und Meerbusch waren als Bindeglied zwischen Konzern und Reisebüros für Kunden der "kurze Draht" zum Konzern, der in Deutschland vor allem mit der Marke "Neckermann" und der Fluglinie "Condor" präsent ist. "Für die Kunden ist das schlecht", sagt Marija Linnhoff, die ein Reisebüro in Iserlohn betreibt, "bei Reklamationen zum Beispiel dauert alles viel länger als früher." Damals habe sie sich an "ihren" persönlichen Vertriebskontakt wenden und viel auf dem kleinen Dienstweg regeln können. "Jetzt ist alles unendlich kompliziert, und am Ende werden der Kunde und ich oft mit pauschalen Antworten aus der Zentrale bedient, die keinem helfen." Sie verkaufe noch Neckermann-Reisen, "aber nicht mehr so gern". Die Kataloge habe sie ganz hinten einsortiert. Der Konzernsprecher erklärte den Kahlschlag bei den Vertriebszentralen mit dem "Plan, stärker zu zentralisieren." Die Reisebüros hätten kaum noch Zeit für Gespräche mit dem Außendienst: "Wir setzen deshalb stärker auf Schulungen am PC."

Linnhoff vermutet wie viele andere in der Branche dahinter einen ganz anderen Plan: "Thomas Cook will die unabhängigen Reisebüros aus dem Vertrieb herausdrängen", sagt sie. Dafür sprächen auch die Vergütungsstrukturen, die sich im Laufe der Jahre immer mehr zu Lasten der unabhängigen Reisebüros entwickelt hätten. Der Blick in die Heimat des Thomas-Cook-Konzerns gibt ihr Recht: Dort verkauft der Konzern fast nur noch über das Internet und konzerneigene Reisebüros. Denen begegnen Kritiker mit dem Einwand, der Kunde werde dort nicht objektiv über das Angebot der Konkurrenz informiert.

Thomas Cook ist in schweres Fahrwasser geraten. Als der Konzern jüngst eine Gewinnwarnung veröffentlichte, brach die Aktie um beinahe 50 Prozent ein. Inzwischen ist der Konzern an der Börse nur noch rund 690 Millionen Euro wert, Anfang des Jahres waren es noch etwa 2,2 Milliarden Euro gewesen. Thomas Cook hatte seine Gewinnwarnung mit den politischen Unruhen in Nordafrika und dem Nahen Osten begründet. Es war die dritte seit Anfang des Jahres. Der Schuh drückt aber auch noch an anderen Stellen. Probleme bereitet unter anderem die Integration des Türkei-Spezialisten Öger-Tours, dessen Übernahme durch Thomas Cook 25 Kündigungen zur Folge hatte. Außerdem leidet der Konzern unter der Wirtschaftflaute in England, wo Thomas Cook bislang fast ein Drittel seiner Gewinne erzielt hat. Zuletzt musste der Konzern sich mit seinen Banken auf eine neue Kreditlinie einigen.

(RP)
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