Verbraucherschützer fordern Angleichung an gesetzliche Kassen "Teure Privat-Krankenkassen"

Berlin · Bei den Verbraucherzentralen häufen sich Beschwerden über drastische Kostensteigerungen bei privaten Krankenversicherungen. Die Verbraucherschützer fordern eine Angleichung privater und gesetzlicher Kassen.

Die private Krankenversicherung hat aus Sicht der Verbraucherschützer keine Zukunft. "Sie wird sich selbst abschaffen", sagte der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen. Sein Verband legte eine Reihe von Forderungen vor, die de facto die Privaten den gesetzlichen Kassen erheblich anpassen würden.

Anlass für die Reformforderungen sind eine wachsende Zahl von Beschwerden Privatversicherter über sprunghafte Prämien-Steigerungen. Die Verbraucherzentralen haben nicht-repräsentativ 144 dieser Beschwerden von Privatversicherten mit Beitrags- und Wechselproblemen untersucht. "Unsere Befürchtungen wurden weit übertroffen", sagte Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

In den untersuchten Fällen sind die Prämien der Versicherten durchschnittlich um knapp 24 Prozent gestiegen. In einem Fall gab es sogar eine Steigerung um 60 Prozent. "Kunden berichten, dass sie die Beitragshöhen im Ruhestand auf keinen Fall mehr zahlen könne", sagte Wortberg. In einem Fall muss eine 59-Jährige monatlich 1095 Euro aufbringen.

Die PKV wies die Untersuchung der Verbraucherzentrale als "unseriös" zurück. Sie beruhe "allein auf 144 Beschwerden bundesweit, das sind nur 0,0016 Prozent aller neun Millionen Privatversicherten", sagte Verbandschef Volker Leienbach. Nach Angaben der Privaten liegen die Kostensteigerungen seit 1997 im Durchschnitt bei nur 3,3 Prozent, während sie bei den Gesetzlichen 3,1 Prozent betrügen.

Leienbach warf der Verbraucherzentrale vor, Einzelfälle von Beitragssteigerungen im Alter zu skandalisieren, zugleich aber das Angebot für den Standardtarif in der PKV zu verschweigen. "Dort hat zum Beispiel ein 66-jähriger Mann mit 34 Jahren Versicherungszeit einen Beitrag von 114 Euro und eine 72-jährige Frau mit 33 Jahren Versicherungszeit einen Beitrag von 189 Euro für Leistungen auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenkassen."

Die Verbraucherzentralen verweisen ihrerseits darauf, dass die privaten Krankenversicherungen vielfach ihren Kunden einen Wechsel in einen günstigeren Tarif erschweren würden. Wechsel zu einem anderen Versicherungsunternehmen sind zudem völlig unattraktiv, da die Kunden ihre Altersrückstellung nicht mitnehmen dürfen.

Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Versicherung in Deutschland ist immer wieder Anlass für öffentlichen Streit. SPD, Grüne und Linke wollen die Privaten in eine Bürgerversicherung für alle überführen. Union und FDP haben die zwei verschiedenen Versicherungssysteme bislang verteidigt. Mitte März zeigte sich allerdings auch der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn skeptisch, dass die Privaten als Vollversicherung erhalten bleiben. Er sprach von "existenziellen Problemen".

Während die gesetzlichen Kassen seit Jahrzehnten durch Deckelung, Zuzahlungen und Mengenbegrenzung ihren Kostenanstieg im Zaum halten, kennt das private System faktisch keine Kostendämpfung. Für die Ärzte ein gutes Geschäft: Während bei gesetzlich Versicherten das medizinisch Notwendige getan wird, erhalten Privatversicherte oft das medizinisch Mögliche. Die Alterung der Privatversicherten, der medizinische Fortschritt und fehlende Kostendämpfung führen dazu, dass die Kosten der privaten Krankenkassen steigen.

Das FDP-geführte Gesundheitsministerium, das am Fortbestand der PKV interessiert ist, hat beim Arzneimittelspargesetz erstmals dafür gesorgt, dass auch die Privaten von gesetzlichen Kostendämpfungsmaßnahmen profitieren. Viele werten diese Vergünstigung als ersten Schritt hin zu einer Angleichung und damit Vereinheitlichung der Systeme. Die Verbraucherzentralen wollen noch weitergehen und fordern, dass die Versicherungsprämien für die Privaten nach Einkommen gestaltet werden und ein "Härtefall"-Fonds soziale Ungleichheiten beheben soll. Für Leistungen im Umfang der Gesetzlichen sollten Ärzte und Krankenhäuser auch nur Geldleistungen auf dem Niveau der GKV erhalten.

(RP/jh-)
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