Berlin Tarifbindung in Deutschland nimmt weiter ab

Berlin · Nachdem die IG Metall bei ihren jüngsten Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie das Thema Tarifflucht adressiert hat und zahlreiche tarifungebundene Firmen mit Aktionen und Streiks unter Druck gesetzt hat, setzt nun auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Tarifbindung auf die Tagesordnung.

Die Gewerkschaft hat dafür eine Studie in Auftrag gegeben, wonach 94 Prozent der Beschäftigten in Deutschland Tarifverträge für wichtig erachten - aber nur 60 Prozent von einem solchen auch erfasst werden. Während Beschäftigte mit einem Haushalts-Nettoeinkommen von 1500 bis 3000 Euro zu 64 Prozent unter Tarifvertrag arbeiten, sind es bei niedrigerem Einkommen nur 46 Prozent.

Verdi-Chef Frank Bsirske kündigte eine Aktionswoche an, bei der Verdi in den kommenden Tagen in mehr als 1000 Betrieben für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft werben werde. Viele vertrauten auf die Gewerkschaft, ohne selbst Mitglied zu werden - nach dem Motto: "Dafür sind die ja da." Da müsse angesetzt werden. Im Verdi-Bereich seien etwa Teile der Altenpflege und des Einzelhandels schwer zu organisieren, während bei Kitas, Häfen, Energie oder Krankenkassen der Organisationsgrad hoch sei.

Mit Blick auf ein Treffen der Regierung mit Wirtschaft und Gewerkschaften am Donnerstag in Meseberg rief Bsirske zu Schritten für eine Stärkung der Tarifbindung auf. Der Gesetzgeber habe selbstgesteckte Ziele nicht erreicht. Erhöht werden müsse die Zahl der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge. Die Arbeitgeber blockierten in den zuständigen Ausschüssen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern die Allgemeinverbindlichkeit zu oft.

NRW steht bei der Tarifbindung nach einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung verhältnismäßig gut da: Hier werden 63 Prozent der Beschäftigten nach Tarif bezahlt - nur Rheinland-Pfalz kommt im Ländervergleich auf einen ebenso guten Wert. Die höchste Bindung hat demnach der öffentliche Dienst mit 98 Prozent aller Beschäftigten, gefolgt von dem Bereich Energie, Wasser, Abfall und Bergbau mit 92 Prozent in Westdeutschland, dem Finanzsektor (81 Prozent) und dem Baugewerbe (69 Prozent).

(maxi/dpa)
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