Leere Tankstellen in Großbritannien „Das kann in Deutschland auch passieren“

Düsseldorf · Großbritannien geht der Kraftstoff aus. Viele Tankstellen sitzen auf dem Trockenen, Nachschub kommt – wenn überhaupt – nur langsam. Der Grund dafür sind fehlende LKW-Fahrer. Dieses Problem gibt es nicht nur auf der Insel.

 Leere Zapfsäulen in Großbritannien: Aufgrund eines LKW-Fahrermangels können dort Tankstellen vielerorts nicht mehr mit Kraftstoff beliefert werden.

Leere Zapfsäulen in Großbritannien: Aufgrund eines LKW-Fahrermangels können dort Tankstellen vielerorts nicht mehr mit Kraftstoff beliefert werden.

Foto: AP/Frank Augstein

Die Bilder aus Großbritannien sind verstörend: Menschen, die sich um die letzten Tropfen Benzin schlagen, kilometerlange Schlangen vor Tankstellen. Arbeitnehmer kommen nicht zur Arbeit, stehen im Stau, es kommt zu Panikkäufen. Auf der Insel ist das Benzin so knapp wie lange nicht. Der Grund dafür ist keine weltweite Benzinkrise. Das Problem liegt woanders: Der Insel gehen die LKW-Fahrer aus, viele Tankstellen können nicht mehr angeliefert werden.

Bilder wie in Großbritannien sind in Deutschland unvorstellbar. Zumindest noch. „Das kann in Deutschland auch passieren. Wenn sich nichts ändert, haben wir diese Situation hier in vier, fünf Jahren“, sagt Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zentralverbandes des Tankgewerbes. Laut ihm könne es auch in Deutschland zu Versorgungsengpässen kommen, auch hier bestehe die Gefahr, dass Tankstellen nicht mehr beliefert werden können – weil es zu wenige LKW-Fahrer gibt.

„Bei uns fehlen zwischen 60.000 und 80.000 LKW-Fahrer“, sagt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Das sei nicht nur in Deutschland ein Problem, sondern weltweit: Der Branche fehle der Nachwuchs. Das führe laut Bullheller schon heute dazu, dass LKW bei den Spediteuren im Hof stehenbleiben. Nicht, weil es keine Ware gibt. Sondern weil die fehlen, die die Ware ausliefern. Jedes Jahr gehen etwa 30.000 LKW-Fahrer in Rente. Nach kommen gerade Mal 15.000 Fahrer. Die Krise, die jetzt schon da ist, wird also größer werden, wenn nicht gegengesteuert wird.

Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Bullheller: Die Arbeitsbedingungen sind nicht die allerbesten. LKW-Fahrer sind oft tagelang unterwegs, schlafen nicht bei ihren Familien. Zudem habe der Job des LKW-Fahrers einen schlechten Ruf. Die Bezahlung hingegen sei nicht das Problem, zumindest nicht in erster Linie: Bullheller geht davon aus, dass die Bezahlung wegen des Fahrermangels immer besser werde, zum Teil sei das auch schon geschehen. „Hier funktioniert die Marktwirtschaft“, sagt er. Lkw-Fahrer verdienen in Deutschland im Monat etwa zwischen 1400 und 3300 Euro pro Brutto, je nach Tarifgebiet und beruflicher Qualifikation. Laut dem Tarifregister Nordrhein-Westfalen verdienen Kraftfahrer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft 13,54 Euro in der Stunde, kommen bei einer 40-Stunden-Woche also etwa auf einen Monatslohn von 2166 Euro.

Die Frage ist, ob das Geld reicht, den Mangel zu bekämpfen. Tankstellen-Vertreter Ziegner jedenfalls sieht eine absolute Notwendigkeit. „Es muss etwas gegen den Fahrermangel getan werden. Doch was man tun muss, kann ich Ihnen auch nicht sagen“. Der BGL hingegen hat einige Ideen: Der Verband hat einen Fünf-Punkte-Plan veröffentlicht. Darin fordert er von der neuen Bundesregierung, bestimmte Maßnahmen im neuen Koalitionsvertrag festzuschreiben. Der Beruf solle als systemrelevant eingestuft werden, es sollten längere Lastwagen mit mehr Komfort genehmigt werden. Die Forderungen sind stichpunktartig aufgeführt: „Umschüler fördern, Qualifikation im Ausland ermöglichen, verbesserte Anerkennung von Führerscheinen und Qualifikationen aus dem Ausland, e-Learning ermöglichen, Fachprüfungen in Fremdsprache“ heißt es unter anderem.

Diese Punkte fassen die Entwicklungen in der Branche wohl am besten zusammen: Über 20 Prozent der LKW-Fahrer in Deutschland seien inzwischen Menschen aus dem Ausland. „Wenn wir keine ausländischen LKW-Fahrer hätten, dann hätten wir jetzt schon ein großes Problem“, sagt Bullheller. Auch die Forderung, Umschüler zu fördern, passt ins Bild: Eigentlich gibt es eine dreijährige Ausbildung zum LKW-Fahrer. „Das ist der Königsweg“, sagt Bullhelller. Doch diesen Königsweg wollen immer weniger Leute gehen, es gibt immer mehr Quereinsteiger, Fahrer, die ohne Ausbildung den LKW-Führerschein machen und auf den Straßen unterwegs sind.

Dass der Fahrermangel sich weiter verschärfen wird, macht Bullheller auch am Konsumverhalten der Deutschen fest: Immer mehr Menschen bestellen Ware online, immer mehr muss geliefert werden – aber es gebe immer weniger Fahrer.

Tankstellen-Vertreter Ziegner sagt, in jüngerer Zeit habe man den Mangel auch schon einmal gespürt: Vor zwei Jahren seien viele Tanklaster-Fahrer gleichzeitig krankheitsbedingt ausgefallen. Manche Tankstellen konnten nicht beliefert werden – das Benzin kam nicht in die Zapfsäulen. Wie aktuell in Großbritannien.

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