„Tag des Brotes“ So steht es um Brot und Bäcker in Deutschland

Berlin · In keinem anderen Land der Erde gibt es so viele Brotsorten. Hersteller von Spezialitäten erfreuen sich großer Beliebtheit. Und trotzdem ist die Lage der Bäcker nicht nur rosig. Eine Bestandsaufnahme.

 Brote im Verkaufsbereich eines Biobäckers (Symbolbild).

Brote im Verkaufsbereich eines Biobäckers (Symbolbild).

Foto: dpa/Rainer Jensen

Siiiek, siiiek, siiiek - im Discounter kreischt es wie die Streicher zur Duschszene im Thriller „Psycho“. Doch da kommt nicht der Messermörder aus dem Hitchcock-Film. Es sind die Klingen der Brotschneidemaschine, die so kreischen. Kunden zerlegen selbst ihr Brot - eine Selbstverständlichkeit, nicht die Spur eines Verbrechens. Dennoch: Manchen Bäcker lässt die Szene bangen.

Discounter und Supermärkte sind für sie die größte Konkurrenz geworden. Es geht um Existenzfragen - und um die einzigartige deutsche Brotvielfalt, die die Unesco in Deutschland sogar als immaterielles Kulturerbe führt. Die Branche hat einen „Tag des Brotes“ ausgerufen, mit dem sie ihr traditionsreiches Produkt am Dienstag feierte.

Die Bäcker geben sich zuversichtlich: „Die Brotkultur erfährt sein Revival, und die Anzahl der Brotliebhaber wächst“, heißt es in der Branche. Bei vielen Kunden aber kommt die Vielfalt nicht an.

Rund 42 Kilogramm Brot tischte jeder deutsche Haushalt 2018 auf, diesen Durchschnitt hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelt. Die Menge sinkt seit Jahrzehnten. Das liegt daran, dass die Haushalte kleiner werden, aber auch an geänderten Gewohnheiten, wie der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks erklärt. Müsli zum Frühstück und abends was Warmes - das geht auch ohne Brot.

Gleichzeitig wächst die Vielfalt. „In Deutschland gibt es über 3200 Brotspezialitäten und es werden kontinuierlich mehr - eine Vielfalt, die kein anderes Land toppen kann“, werben die Bäcker. Wie geht das zusammen?

Die Käufergruppen fallen auseinander. „Die eine Zielgruppe setzt meist auf das klassische Brot oder auch belegte Brote, die andere sucht gezielt nach Brotspezialitäten mit ausgewählten oder ausgefallenen Zutaten“, erklärt der Verband.

So kann es vorkommen, dass in angesagten Quartieren der Großstädte wie Berlin-Prenzlauer Berg oder Köln-Ehrenfeld Leute bis auf die Straße Schlange stehen für Brot. Vor jungen Bäckereien, die traditionell arbeiten. Wo der Teig noch stundenlang gehen darf. Ohne Chemie und natürlich bio. Dort erlebt das Brot eine Renaissance. Das Bäckerhandwerk bildet inzwischen sogar Brot-Sommeliers aus, als Botschafter für deutsche Brot-Kultur.

Doch auf dem Land geben immer mehr Bäcker auf. In der Handwerksrolle stehen noch rund 11 000 Bäckereien, gut 4000 weniger als 2008. Immer mehr Kunden bedienen sich an den ein, zwei Handvoll Brotsorten in den Drahtkäfigen der Discounter.

„Der größte Konkurrent ist heute, vor allem aufgrund seiner extremen Preispolitik, der Lebensmitteleinzelhandel mit unterschiedlichen Konzepten von Aufbackstationen“, betont der Zentralverband. Wieviel Brot sie verkaufen, darüber schweigen die Discount-Riesen Aldi und Lidl. Die Kunden nähmen das Angebot sehr gut an, lässt Lidl nur wissen. Nach GfK-Daten kaufen die Bürger inzwischen jedes dritte Brot im Discounter oder Supermarkt.

Dazu trägt bei, dass immer mehr Menschen arbeiten gehen und weniger Zeit haben, nach dem Supermarkt noch zum Bäcker zu laufen. Das nutzt den Großbäckereien, die die Märkte beliefern. Ein Drittel der Backfirmen macht schon mehr als 90 Prozent des Branchenumsatzes.

Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten beobachtet schon eine Weile „ein zunehmend hybrides Kaufverhalten“. Will sagen: Wer heute beim Spezialitätenbäcker 100 Gramm Vollkornbrot für 1,30 Euro kauft, holt sich vielleicht morgen für das gleiche Geld beim Discounter ein ganzes Kilo Weizenmischbrot. Der Verband der Großbäckereien spricht vom „homo difusus“.

Auf der einen Seite achten Käufer auf mehr Geschmack und Gesundheit, Frische und Bio. „Handwerksbäcker fokussieren sich immer öfter auf ein ausgewähltes, persönliches Kernsortiment“, heißt es beim Branchenverband. „Durch neue beziehungsweise wiederentdeckte Getreidesorten wie Emmer, Einkorn oder auch Dinkel und Zugabe von Früchten oder Gewürzen haben sich viele weitere Variationen gebildet.“ Auch Chia und Quinoa sind im Brotregal keine Exoten mehr.

Doch rund 40 Prozent der Kunden interessieren sich weder für Gesundheit noch neue Trends, wie eine Umfrage der Uni Göttingen und der Marketingberatung Zühlsdorf ergab. Darunter sind vor allem Männer sowie Menschen, denen mitunter das Kleingeld fehlt, sich den besonderen Geschmack zu leisten.

(felt/dpa)
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