Senkungen bis zu acht Prozent Auch in NRW senken erste Versorger die Strompreise

Düsseldorf · Bei 20 Grundversorgern in NRW wird Strom günstiger. Da andere jedoch die Preise erhöhen, will das Kartellamt Verfahren einleiten. Um die Industrie vor hohen Preisen zu schützen, will Habeck den Industrie-Strompreis einführen. Nicht alle sind dafür.

 Das Kartellamt will Prüfverfahren wegen Strompreiserhöhungen einleiten.

Das Kartellamt will Prüfverfahren wegen Strompreiserhöhungen einleiten.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Seit langem sinken die Energiepreise an den Börsen. Nun kommt dies wenigstens bei einem Teil der Verbraucher an. „Seit Jahresanfang verzeichnen wir 20 Fälle von Strompreissenkungen für NRW. In der Spitze betragen diese Senkungen bis zu acht Prozent“, sagte die Sprecherin des Vergleichsportals Check 24. Zu den Senkern seit Jahresanfang gehören demnach etwa die Stadtwerke Dinslaken, die Mega in Monheim, die ENNI Niederrhein und die Stadtwerke Willich.

Bundesweit profitieren 3,3 Millionen Haushalte von den Senkungen der Strompreise. Im Schnitt reduziert sich die Stromrechnung für eine vierköpfige Familie mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden im Jahr um 108 Euro.

Allerdings: „Trotz Senkungen liegen in der Grundversorgung deutschlandweit noch 76 Prozent der Stromtarife über der Preisbremse“, so die Sprecherin. Denn andere Versorger langen kräftig zu. Das Bundeskartellamt will Prüfverfahren einleiten. „Verfahrenseinleitungen, bezogen auf die Bereiche Fernwärme und Strom, stehen bevor“, sagte Kartellamts-Präsident Andreas Mundt. Beim Strom ist der Preis auf 40 Cent je Kilowattstunde für 80 Prozent des Verbrauchs gedeckelt. Das bietet Anreize für Versorger, den Preis darüber hinaus zu erhöhen, weil es der Kunde kaum spürt. Das Kartellamt soll den Missbrauch von Subventionen aufdecken.

Durch einen Wechsel des Stromanbieters lassen sich oft die Kosten senken. Allerdings warnt der Bundesverband der Verbraucherzentralen vor Fallen. So sollte man Angebote mit extrem niedrigen Strompreisen vermeiden - „die Preise sind möglicherweise nicht kostendeckend kalkuliert“, so die Verbraucherschützer. Zu Beginn der Energiekrise hatten einige Versorger Kunden massenweise gekündigt.

Wie es bei den Preisen weitergeht, ist ohnehin offen. „Mit den derzeit sinkenden Gas- und Strompreisen für Endverbraucher geben die Versorger die zuvor stark gesunkenen Börsenpreise an die Kunden weiter. Allerdings können die Preise im kommenden Winter wieder steigen, falls Gas wieder knapp und teuer werden sollte“, warnte Manuel Frondel, Energieexperte des RWI Leibniz-Institutes. Trotz des rasanten Zubaus von Terminals für Flüssiggas (LNG) in Deutschland könne man sich noch nicht beruhigt zurücklehnen. „China könnte bei starkem Wirtschaftswachstum mehr LNG kaufen als 2022 und so die Erdgaspreise treiben. Außerdem sind Sabotagen von Pipelines und damit Preisexplosionen immer möglich“, sagte Frondel weiter. Der Gaspreis bestimmt wesentlich den Strompreis.

Um die Industrie vor hohen Strompreisen zu schützen, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Industriestrompreis bis Frühjahr 2024 einführen. „Wir wollen die energieintensive Industrie in Deutschland halten“, sagte Habeck am Montag und nannte dabei die Branchen Metall, Stahl und Chemie. Den Unternehmen müsse eine Brücke gebaut werden, bis das wachsende Angebot an Ökostrom zu wettbewerbsfähigen Strompreisen führe. Habeck nannte Details: So sollen die Unternehmen auf 80 Prozent ihres Verbrauchs einen auf sechs Cent je Kilowattstunde gedeckelten Preis zahlen. Das werde durchschnittlich vier Milliarden Euro im Jahr kosten. Das Geld solle aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen. „Denn der Haushalt ist bereits überbucht“, so Habeck weiter.

Allerdings hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bereits grundsätzliche Bedenken angemeldet. „Der Industriestrompreis ist nicht geeint in der Bundesregierung“, räumte Habeck am Montag ein. Auch der Verband der Familienunternehmer übt bereits massive Kritik: „Habeck will etwa 2000 großen Industrieunternehmen mit zig Milliarden Subventionen einen wettbewerbsfähigen Strompreis erkaufen – dabei gibt es insgesamt 40.000 Industrieunternehmen“, sagte Marie Christine-Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer.

Der Chef der Chemie-Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, begrüßte dagegen Habecks Pläne. „Wenn wir die Chemie und die verbundenen Wertschöpfungsketten im Land halten wollen, brauchen wir wettbewerbsfähige Energiepreise. Es geht nicht um dauerhafte Subventionen, sondern um eine Überbrückung, bis genug erneuerbare Energien zur Verfügung stehen“, sagte Vassiliadis unserer Redaktion. „Die USA kämpfen mit Subventionen im großen Maßstab darum, die Industrie zurückzuholen. Wir sollten dafür sorgen, dass unsere Industrie erhalten bleibt. Auch wir haben vier Cent gefordert. Die Industrie kann aber zufrieden sein, wenn sie sechs Cent bekommt.“

Im Streit um das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG), das Bürger zum Heizungstausch verpflichtet, forderte Habeck von der FDP einen Beschluss vor der Sommerpause. „Alle werden sich daran erinnern, was da verabredet wurde“, sagte Habeck am Montag mit Blick auf den 30-stündigen Koalitionsausschuss von Ende März. Man könne über Übergangsfristen und soziale Flankierung reden, aber der Kern des Gesetzes müsse erhalten bleieben. Zuvor hatte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai einen GEG-Beschluss vor der Sommerpause unrealistisch genannt. „Hier brauchen wir ein neues Gesetz im Prinzip“, so Djir-Sarai.

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