Erfurt Streit um Schienenkartell geht in nächste Runde

Erfurt · Eine Grundsatzentscheidung, ob Geschäftsführer gegenüber Konzernen im Kartellfall regresspflichtig sind, bleibt aus.

291 Millionen Euro - diese gigantische Summe fordert der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp von einem einzelnen Ex-Manager. Hintergrund ist das sogenannte Schienenkartell, an dem auch Thyssenkrupp einen maßgeblichen Anteil hatte. Gestern beschäftigte der Fall das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Doch anstatt den Fall ein für alle Mal zu den Akten zu legen, hob der achte Senat das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Fall erneut an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf.

Den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte 2011 Voestalpine. Der Stahlkonzern hatte die Kartellabsprachen öffentlich gemacht und als Kronzeuge gegen die übrigen Kartellmitglieder ausgesagt. Bei persönlichen Treffen etwa im Rahmen eines "Arbeitskreises Marketing des Fachverbands Weichenbau", aber auch am Telefon oder per E-Mail hatten die beteiligten Unternehmen sich auf Preise geeinigt - und damit unter anderem die Deutsche Bahn und mehrere Nahverkehrsunternehmen geschädigt. Zur Tarnung sprachen die Täter nicht über Preise, sondern über Börsenkurse oder Lottozahlen. Nach einem ausgeklügelten System erhielten die Kartellanten bei Projekten einen "Stammkunden". Die Konkurrenten boten zwar mit, verpassten aber absichtlich Fristen oder gaben absichtlich überteuerte Angebote ab, sogenannte Schutzangebote. Als Ausgleich erhielten die unterlegenen Firmen Unteraufträge, Gutachterjobs oder konnten darauf vertrauen, bei der nächsten Ausschreibung zum Zuge zu kommen. Nachdem Voestalpine die Praxis öffentlich gemacht hatte, verhängte das Bundeskartellamt empfindliche Geldbußen. Allein Thyssenkrupp musste 191 Millionen Euro zahlen. Hinzu kamen weitere Zahlungen an die geschädigten Unternehmen. Der Konzern selbst beziffert den Schaden durch das Kartell auf mehr als 300 Millionen Euro.

Gestern musste das Bundesarbeitsgericht darüber befinden, ob Thyssenkrupp Regress in Höhe von 291 Millionen Euro überhaupt von einer Einzelperson verlangen kann.

Doch das BAG scheute eine abschließende Bewertung. Die Düsseldorfer Richter müssten zunächst prüfen, ob der frühere Geschäftsführer sich pflichtwidrig verhalten habe, sagte eine Gerichtssprecherin. Außerdem seien die Arbeitsgerichte nicht für kartellrechtliche Fragen zuständig, begründete der achte Senat. Die Erfurter Richter entschieden somit auch nicht darüber, ob Führungskräfte für Kartellstrafen ihrer Unternehmen aufkommen müssen. Diese Frage bleibt damit weiterhin höchstrichterlich ungeklärt.

Obwohl das Verfahren nun in die Verlängerung geht, zeigte sich Thyssenkrupp zufrieden. "Wir begrüßen, dass das Bundesarbeitsgericht unserer Rechtsansicht gefolgt ist und der Revision stattgegeben hat", sagte ein Sprecher. Die Frage, ob Unternehmen auch den Schaden aus Kartellgeldbußen gegenüber verantwortlichen Geschäftsführern geltend machen können, bleibe zu klären. "Insgesamt sind wir sehr zufrieden. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass sich unser ehemaliger Geschäftsführer im Schienenkartell falsch verhalten hat." Dass die handelnden Personen des Schienenkartells für ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen würden, sei Thyssenkrupp den Menschen und Unternehmen, die auf den Konzern vertrauen, schuldig. "Wir sind weiterhin zuversichtlich, dass das Landesarbeitsgericht nun in unserem Sinne entscheidet."

(maxi/dpa)
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