Streit um Mindesthaltbarkeit

Viele Verbraucher werfen Lebensmittel weg, sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum abläuft. Dabei sind viele Waren dann noch genießbar. Heute wird im Bundestag über die Abschaffung des Begriffs der Mindesthaltbarkeit diskutiert.

Berlin/Düsseldorf Vollmilchschokolade ist jahrelang haltbar, doch trotzdem steht auf jeder Packung ein viel früheres Mindesthaltbarkeitsdatum. Ähnlich sieht es bei Hartweizennudeln aus, auch Reis kann praktisch ewig aufbewahrt werden. Doch ist die Mindesthaltbarkeit überschritten, wandern die meisten dieser Lebensmittel in den Müll. "Dabei ist das Mindesthaltbarkeitsdatum kein Wegwerftermin", sagt Bernhard Burdick, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale NRW. Vielmehr ist es eine Qualitätsgarantie.

Das sei vielen Konsumenten jedoch nicht klar, argumentiert die FDP-Bundestagsfraktion. "Wir müssen den Begriff des Mindesthaltbarkeitsdatums auf den Prüfstand stellen", fordert der verbraucherschutzpolitische Sprecher der Liberalen, Erik Schweickert. Zur Diskussion steht unter anderem der englische Ausdruck "best before", zu deutsch: beste Qualität vor diesem Datum. Mögliche Änderungen sollen heute im Bundestag diskutiert werden – allerdings unter schlechten Vorzeichen: Weder Änderung noch Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums seien geplant, teilt das Bundesverbraucherministerium auf Anfrage mit.

Dabei verstehen viele Menschen den Begriff des Mindesthaltbarkeitsdatums falsch – sie verwechseln ihn mit dem Verfallsdatum, das etwa bei verderblichen Fleischwaren auf dem Etikett steht. "Das Verfallsdatum zeigt die Sicherheit der Produkte", sagt Burdick. Das Mindesthaltbarkeitsdatum dagegen garantiere die Qualität des Lebensmittels bis zum Ablauf.

"Den Verbrauchern wurde jahrelang der Eindruck vermittelt, dass Produkte mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum schlecht sind", sagt Grünen-Vizechefin Bärbel Höhn. Das sei Unfug, meint die ehemalige NRW-Verbraucherschutzministerin. Ihr grüner Amtsnachfolger in Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel, hat deswegen in der Region eine Arbeitsgruppe zum Thema Mindesthaltbarkeitsdatum gegründet. "Denn zu oft wird es falsch interpretiert", sagt Remmel. Er warnt vor Schnellschüssen, denn eine Begriffsänderung ist kein leichtes Vorhaben. Erst in diesem Jahr ist in Brüssel die EU-Lebensmittelinformationsverordnung beschlossen worden – nach mehreren Jahren intensiver Beratung. Genau dort aber hätte die Bundesregierung Änderungen beantragen müssen, um den Lebensmittelaufdruck "mindestens haltbar bis" abschaffen zu können. Von einer "verpassten Chance" spricht daher die SPD-Verbraucherschutzpolitikerin Elvira Drobinski-Weiß. "Nicht zu Ende gedacht", meint Peter Loosen vom Lebensmittelwirtschaftsverband BLL. Denn eine erneute Änderung der EU-Verordnung könne Jahre dauern. Das erklärt, warum Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) den FDP-Vorschlag ablehnt. Sie teilte stattdessen mit, das Mindesthaltbarkeitsdatum sei "eine große verbraucherpolitische Errungenschaft". Aigner setzt auf Aufklärung – über einen Begriff, den es seit 30 Jahren gibt. Handeln muss sie, denn in Deutschland werden laut einer Studie ihres eigenen Ministeriums jedes Jahr bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Dabei könnten die Verbraucher sparen, würden sie die Mindesthaltbarkeit nicht als Wegwerfdatum ansehen: Jeder Deutsche entsorgt im Jahr Lebensmittel im Wert von über 300 Euro.

(RP)
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