Erdöl Streit um Abriss von Nordsee-Bohrinseln

London · Shell will Teile ausgedienter Plattformen im Meer lassen. Greenpeace ist dagegen. Der Streit hat eine Vorgeschichte.

Die Förderplattform Brent Delta hat seit den 1970er Jahren mehrere hunderttausend Liter Öl in der Nordsee gefördert.

Die Förderplattform Brent Delta hat seit den 1970er Jahren mehrere hunderttausend Liter Öl in der Nordsee gefördert.

Foto: dpa/Ross Johnston

Das Ölfeld Brent in der Nordsee, auf halbem Wege zwischen den Shetland-Inseln und Norwegen, ist eines der bekanntesten der Welt. Die Ölsorte Brent gab dem Nordsee-Öl seinen Handelsnamen, nach dem englischen Wort für die Ringelgans. Und der Konflikt über den Öltank Brent Spar bewegte in den 1990er Jahren Umwelt- und Naturschützer. Die Umweltorganisation Greenpeace setzte damals durch, dass der Riesentank nicht versenkt wurde, sondern an Land entsorgt. Fast ein Vierteljahrhundert später gibt es wieder Streit um die Entsorgung von Fördertechnik aus dem Brent-Ölfeld.

Auslöser des Konfliktes zwischen Großbritannien und Shell auf der einen Seite und Deutschland, weiteren EU-Ländern und Greenpeace auf der anderen Seite sind die vier Bohrinseln Brent Alpha, Bravo, Charlie und Delta. Sie haben seit den 1970er Jahren umgerechnet mehr als drei Milliarden Barrel (je 159 Liter) Öl und Gas gefördert. Nun ist Schluss, das Feld ist ausgefördert. Nur Brent Charlie produziert noch Erdgas, aber das endgültige Betriebsende dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Zuständig für die Genehmigung des Rückbaus ist die britische Regierung, andere Länder dürfen mitreden. In einem Vertrag haben sich die Anrainerstaaten der Nordsee und angrenzender Gebiete darauf verpflichtet, Förderanlagen nach Ablauf ihrer Lebensdauer komplett aus dem Meer zu entfernen.

Der Haken dabei: Der Vertrag wurde nach der gescheiterten Versenkung der Brent Spar Ende der 1990er Jahre beschlossen. Spätestens seitdem wird die Entsorgung schon bei der Planung von Förderanlagen mitgedacht. Doch die Plattformen im Brent-Feld sind älter, bei ihrer Konstruktion spielte dieser Gesichtspunkt noch keine Rolle. Sie können eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Im betroffenen Gebiet gibt es noch 80 weitere Altanlagen, davon 27 mit Betonfundamenten. Fünf davon, betrieben von anderen Unternehmen, wurden bereits an Ort und Stelle gelassen.

Seit Jahren läuft bereits der Rückbau der Bohrinseln. Die rund 25.000 Tonnen schweren Aufbauten von Brent Bravo und Delta sind bereits mit einem Spezialschiff abgenommen, an Land gebracht und demontiert worden. Im nächsten Sommer folgt Brent Alpha. Nur die Stümpfe der Trägerkonstruktionen ragen noch über die Wasseroberfläche.

Doch auch nach mehr als zehn Jahren Diskussion und mehr als 300 Studien ist noch immer nicht endgültig klar, was mit den Strukturen unter Wasser passieren soll. Brent Alpha ist eine Stahlkonstruktion mit einem Sockel, doch Bravo, Charlie und Delta besitzen sogenannte Schwerkraftfundamente aus Beton. In 140 Metern Wassertiefe stehen 64 riesige Betonzellen, 60 Meter hoch, mit einem Meter dicken Wänden. Sie wurden als Tanks genutzt und enthalten 41.000 Kubikmeter Öl-Sand-Gemisch. Dazu kommen 640.000 Kubikmeter leicht belastetes ölhaltiges Wasser.

„Die müssen raus“, fordert Christian Bussau von Greenpeace, der schon bei der Besetzung der Brent Spar 1995 dabei war. „Es muss so wenig wie möglich von den Förderplattformen im Meer zurückbleiben.“ Die Stahlkonstruktion von Brent Alpha könnte nach Ansicht der Umweltschützer weitgehend demontiert werden. Greenpeace fordert zudem, die Pfeiler der Plattformen so weit zu kürzen, dass sie keine Gefahr für die Schifffahrt darstellen.

Allerdings liegen unterschiedliche Bewertungen auf dem Tisch. „Die Risiken der vollständigen Entfernung sind größer als der Nutzen für die Umwelt“, sagt Katrin Satizabal, Expertin für Öl- und Gasförderung bei der deutschen Tochterorganisation des Shell-Konzerns. Nach intensiver Prüfung aller Optionen anhand der vorgeschriebenen Kriterien Sicherheit, Auswirkungen auf die Umwelt, technische Umsetzbarkeit, Sozialfolgen und Wirtschaftlichkeit halte Shell es für geboten, die Sockel und Fundamente im Wasser zu belassen.

Die deutsche Regierung steht an der Seite der Umweltschützer. „Wir haben jetzt die Chance, für die Zukunft eine klare Verfahrensweise für die umweltverträgliche Entsorgung alter Ölplattformen festzulegen“, sagt Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. Unterstützt wird Deutschland von Belgien, den Niederlanden, der EU, Schweden und Luxemburg. Mit einer endgültigen Entscheidung, wie es weitergeht, ist vielleicht im Laufe des Jahres zu rechnen.

(dpa)
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