Voerde Steag muss Dividende aus Reserve zahlen

Voerde · Trotz eines Verlustes von 221 Millionen Euro schüttet der Versorger 55 Millionen an das Stadtwerke-Konsortium aus. Andernfalls könnte dies seine Kredite nicht mehr bedienen. Das Kraftwerk Voerde ist nun stillgelegt.

Der Kühlturm des Steinkohle-Kraftwerks in Voerde ragt 186 Meter in den Himmel. Doch Wasserdampf kommt hier nicht mehr raus. Nie wieder. Seit Freitag liegt das Kraftwerk still, 280 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Manche haben mehr als 30 Jahre in der Anlage am Rhein gearbeitet. Die soll nun demontiert werden. Wieder stirbt ein Stück Industrie im Revier. Doch die Energiewende hat die Börsenstrompreise abstürzen lassen und auch die Blöcke in Voerde mit insgesamt 2200 Megawatt in die roten Zahlen geschickt. Immerhin macht die Steag als Betreiber sozialverträgliche Lösungen möglich.

Das ist die einzige gute Nachricht, die Steag-Chef Joachim Rumstadt gestern in Voerde verkünden konnte. Seine Bilanz für 2016 sieht düster aus: Der fünftgrößte deutsche Versorger machte unterm Strich einen Verlust von 221 Millionen Euro, 2015 hatte es noch für 37 Millionen Euro Gewinn gereicht. Auslandskraftwerke und Dienstleistungen können die Verluste der deutschen Kraftwerke nicht ausgleichen. Hier schlagen Rückstellungen für Stilllegungen und Personalabbau zu Buche. Insgesamt hat die Steag fünf Kraftwerke zur Stilllegung angemeldet. Neben Voerde sind dies Herne, Weiher und Bexbach im Saarland.

Trotz der Verluste schüttet die Steag für das vergangene Jahr 55 Millionen Euro Dividende an ihre Eigentümer aus. Das ist zwar weniger als die 80 Millionen, die es für 2015 gab. Da die Steag aber nichts mehr verdient, muss sie selbst dafür die Reserven angreifen. "Die Dividende wird vollständig aus der Rücklage einer Tochter entnommen", räumt Finanzchef Michael Baumgärtner ein. Die Krise kommt mit Ansage, unsere Redaktion hatte 2014 von der entsprechenden Mittelfristplanung berichtet.

Die Steag gehört den Stadtwerken Dortmund, Duisburg, Essen, Bochum, Oberhausen und Dinslaken, die ihre Anteile in der Beteiligungsgesellschaft KSBG gebündelt haben. Die KSBG hatte die Steag einst für stolze 1,2 Milliarden Euro dem Evonik-Konzern abgekauft und sich dafür massiv verschuldet. Die KSBG braucht genug Steag-Dividende, andernfalls kann sie ihre Kredite nicht bedienen. Von den 55 Millionen Euro nutzt die KSBG 40 Millionen, die verbleibenden 15 Millionen reicht sie an die Stadtwerke weiter.

Und es wird nicht besser: Der Finanzvorstand schließt für 2017 einen erneuten Verlust nicht aus, hofft aber auf einen leichten Gewinn. In jedem Fall wird die Ausschüttung an die KSBG weiter sinken: Die internen Planungen gehen davon aus, dass die Steag für 2017 nur noch 45 Millionen Euro an die KSBG überweisen wird. Ob neben dem Schuldendienst überhaupt noch ein Cent für die Stadtwerke bleibt, ist offen.

Dass die Stadtwerke der klammen Revierstädte über den Steag-Deal in die Knie gehen, soll in jedem Fall vermieden werden: In der Rücklage sei genug Geld, um noch ein paar Jahre Dividende trotz ausbleibender Gewinne zu zahlen, heißt es im Konzern. "Wir wissen, dass noch drei bis vier harte Jahre vor dem Unternehmen liegen", sagte Guntram Pehlke, Chef der Dortmunder Stadtwerke und des Steag-Aufsichtsrates. Man setze auf den "eingeleiteteten Transformationsprozess".

Andere Stadtwerke finden dagegen, dass Rumstadt zu wenig tut im Kampf gegen die Krise und zu wenig spart. Im Rahmen des Programms "Steag 2022" will er zwar 800 bis 1000 Stellen bis 2020 abbauen. Im vergangenen Jahr ist die Mitarbeiter-Zahl aber auf 6100 gestiegen. Nun soll der Vorstand auf zehn Prozent seiner Vergütung verzichten. "Steag steht unter Druck, wir bleiben aber ein verlässlicher Partner der Städte", sagt Rumstadt. Man sei ein "aktiver Partner der Energiewende". Schulden von 2,4 Milliarden verhindern aber große Sprünge. Rumstadt kündigte an: "Wir werden risikofreudiger und auch mal Rückschläge hinnehmen müssen." Das kann man als Drohung empfinden.

(anh)
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