Start-up Lisa aus Düsseldorf Bestellungen per Livestream in digitaler Shopping-Show

Düsseldorf · Einzelhändler und Onlineshops entdecken live gestreamte Verkaufsshows als lukrativen Absatzkanal. Ein Düsseldorfer Gründerpaar baut die Plattform dafür – und überzeugte bereits den Kosmetikkonzern L’Oréal, Juwelier Christ oder Teleshoppingpionier QVC. Jetzt schalten sich neue Geldgeber dazu.

 Eine Nutzerin streamt über die Liveshopping-App Lisa.

Eine Nutzerin streamt über die Liveshopping-App Lisa.

Foto: Lisa

Die Moderatorinnen sind noch keine zwei Minuten auf Sendung und stellen zunächst ihr eigenes Outfit vor – schon meldet sich die erste Zuschauerinnen im Chat zu Wort: „Wow, ich liebe die Lederjeans!“ schreibt die erste Nutzerin, „Die Schuhe sind großartig“ die zweite. Das Kleidungsstück ist nur einen Klick entfernt. Denn in der live übertragenen Mini-Shoppingshow des britischen Einzelhandels-Giganten „Marks and Spencers“ sind alle vorgestellten Hosen, Kleider und Blusen direkt verlinkt und können gekauft werden.

Die Software, die diese Liveübertragung möglich macht, ist in Düsseldorf entstanden: Das Start-up Lisa (kurz für „Live-Shopping Assistant“) entwickelt eine Plattform, die Einzelhändlern und Onlineshops dabei hilft, eine eigene Shopping-Show zu starten. Mit dem Programm können die Unternehmen leicht Regie führen, die besprochenen Produkte zum Kauf einbinden und über ein Chatsystem mit den Zuschauern interagieren. Das alles soll am Ende dafür sorgen, dass Nutzer direkt aus dem Livestream heraus Bestellungen aufgeben. „Am Ende kaufen Menschen immer am liebsten bei Menschen ein – wir helfen dabei, diese Nähe auch online und auf eine skalierbare Weise darzustellen“, sagt Sophie Frères, die das Start-up gemeinsam mit ihrem Mann Philippe im Jahr 2018 gegründet hat.

Prominente Marken nutzen die Software des Start-ups

Das Ehepaar vereinte dabei reichlich Erfahrung in relevanten Branchen: Sophie erlebte viele Jahre bei der Metro, vor welchen Herausforderungen der Handel stand. Philippe erlebte diese Aufgaben wiederum im Familiengeschäft: Er kümmerte sich um die Digitalisierung des Luxus-Kindermodengeschäfts seiner Mutter Barbara mit Stammsitz auf der Königsallee. Gemeinsam entstand so die Idee einem Programm, dass Händlern und Marken das Live-Shopping erleichtert. „Der Erlebnisfaktor spielt jetzt auch beim Onlineeinkauf eine immer wichtigere Rolle“, sagt Sophie Frères heute.

Über ein Beschleunigungs-Programm des britischen Investors Founders Factory kamen die frischgebackenen Gründer früh an prominente Testkunden. Beautykonzern L’Oréal probierte die Software aus. Und auch Teleshoppingpionier QVC nutzte das Programm kurz nach dem Start. Heute gehören zudem Händler wie die Juwelierkette Christ und Marken wie Kosmetikkonzern Avon oder Werkzeughersteller Würth zu den Kunden von Lisa. Das deckt sich mit der Beobachtung von Gründerin Frères: Zuerst entdeckte die Beautybranche diesen neuen Absatzkanal, dann folgten Modefirmen und Handelsketten, jetzt ziehen Baumärkte oder Elektronikmarken nach.

Technische Plattform soll Unternehmen zu Umsatzplus verhelfen

Das Start-up liefert dabei selbst so etwas wie den Werkzeugkasten für ein globales Trendthema. Insbesondere im asiatischen Raum hat das Live-Shopping bereits seinen Durchbruch erlebt, nach und nach gewinnt es in Europa an Bedeutung. Im vergangenen Jahr zeigte eine Studie des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln: Noch kennen nur recht wenige deutsche Verbraucher den Begriff – gerade die jüngere Zielgruppe kann sich aber gut vorstellen, mit dem Smartphone beim Live-Shopping dabei zu sein.

Die Idee: Durch die Shows wird die Neugier auf die jeweiligen Produkte geweckt, durch die Interaktion mit den Moderatoren und Marken fühlen sich die Zuschauer ernst genommen. Das Programm soll vor allem die technische Arbeit im Hintergrund übernehmen – bezahlen lässt sich das Start-up über eine Nutzungsgebühr. Das Versprechen: So können Unternehmen mit vergleichsweise einfachen technischen Mitteln eine Nähe zu den Kunden aufbauen und ihre Umsätze steigern: „Wenn ich es schaffe, dass Bestandskunden drei Mal statt einmal im Jahr einkaufen, habe ich einen gewaltigen Hebel“, sagt Gründerin Frères.

Dabei unterscheidet sich die Show fürs Smartphone deutlich von den klassischen Teleshopping-Kanälen. Es geht formal um sympathische Präsentatoren, weniger um perfekte Studioqualität. Manchmal geht ein Influencer aus seinem unaufgeräumten Wohnzimmer live, anderswo schaltet sich ein Verkäufer aus seiner Abteilung dazu und präsentiert ohne Drehbuch seine Lieblingsstücke. Die einzelnen Sendungen sind häufig kurz und kompakt, sind dafür aber häufig zu sehen. „Die Menschen sehnen sich nach Authentizität – genau dem, was sie bei klassischen Werbevideos oder beim Teleshopping nicht bekommen“, sagt Frères.

Das bedeutet jedoch eine ziemliche Umstellung für viele Marken, die bislang peinlich genau darauf achteten, wie und wo ihre Produkte beworben werden. Zudem müssen es die Unternehmen erst einmal schaffen, Zuschauer für ihre Live-Formate zu gewinnen. Gerade bei den ersten Versuchen sind es manchmal nur einzelne Nutzer, die den Weg in die Shopping-Show einer Marke finden.

Millionen-Investment für das Software-Start-up

Doch an den grundsätzlichen Trend glauben nicht nur immer mehr Marken, sondern auch Geldgeber. Start-up Lisa konnte vor wenigen Wochen eine Finanzierungsrunde über 2,7 Millionen Euro abschließen. Das meiste Geld stammte dabei vom Techvision-Fonds (TVF) mit Sitz in Aachen. Außerdem beteiligte sich der britische Risikokapitalgeber Venrex sowie die Privatinvestorin Georgie Smallwood.

Mit dem frisch eingesammelten Kapital wollen Sophie und Philippe Frères jetzt intensiver auf Kundensuche gehen. Doch die Düsseldorfer sind keineswegs die einzigen Anbieter in diesem recht jungen Software-Segment. Aus Schweden stammt beispielsweise die Tech-Firma Bambuser, Livescale wurde in Kanada gegründet, Livebuy sitzt in Berlin. Mit aktuell 15 Mitarbeitern will sich Lisa nun der globalen Konkurrenz stellen. „Unsere Herausforderung ist es nun, in unserer Zielgruppe eine hohe Bekanntheit zu bekommen und dass unsere potenziellen Kunden den Mehrwert von Lisa wirklich verstehen“, sagt die Gründerin.

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