NRW als Zentrum von Ökoenergie-Start-Ups Solarmodule mit Tempo auf die Dächer

Köln · In Zeiten steigender Energiekosten sind Photovoltaikanlagen begehrt. Doch vielen Anbietern fehlen die passenden Handwerker. Die Lücke füllen will Installion: Das Kölner Start-up vermittelt passende Betriebe – und beschäftigt zunehmend selbst Monteure.

 Geschäftsführer und Mitgründer Florian Meyer-Delpho (links) und Till Pirnay von Installion

Geschäftsführer und Mitgründer Florian Meyer-Delpho (links) und Till Pirnay von Installion

Foto: Installion

Von Installion dürften die wenigsten Hausbesitzer, die sich für eine Photovoltaikanlage (PV) entscheiden, jemals gehört haben – bis einer der Kastenwagen des Kölner Start-ups vor der Tür steht: Mit aktuell 50 festangestellten Handwerkern bringt das Unternehmen im Akkord PV-Module aufs Dach, die Stromkonzerne, Stadtwerke oder andere Start-ups an Endkunden verkaufen. „Die Anbieter finden aktuell kaum noch Handwerksbetriebe für die Montage – dieses Problem wollen wir lösen“, sagt Till Pirnay. Der ehemalige Unternehmensberater hat Installion vor drei Jahren zusammen mit dem Solar-Unternehmer Claus Wohlgemuth und Florian Meyer-Delpho gegründet. Letztgenannter hatte zuvor mit Greenergetic ein Online-Planungstool für Solaranlagen entwickelt – auch damals waren schon Energiekonzerne die Zielgruppe.

Installion haben die Gründer zunächst als reine Vermittlungsplattform konzipiert, die Montageaufträge von Unternehmen wie Eon, Vattenfall oder Lichtblick einsammelt und weitergibt. 20.000 Handwerksbetriebe deutschlandweit hat das Start-up in seiner Datenbank – zwischen 200 und 500 arbeiten regelmäßig für Installion. „Wir servieren den Betrieben gut vorbereitete Aufträge auf dem Silbertablett“, erklärt Pirnay die Idee. „Auch wenn die Auslastung insgesamt hoch ist, haben Handwerker zwischendurch immer wieder Leerlauf.“

Doch die Kölner stellten schnell fest: Alleine mit der Vermittlung können sie die Nachfrage ihrer Geschäftskunden kaum bedienen. Mehr und mehr geht Installion deswegen dazu über, eigene Handwerks-Niederlassungen aufzubauen – aktuell sind es zwölf. Diese übernehmen etwa jeden dritten Auftrag, der im digitalen Marktplatz eingestellt wird. In Nordrhein-Westfalen gibt es außer in Köln bisher eine Niederlassung in Dortmund. In den nächsten Wochen soll auch Münster hinzukommen. Bundesweit sind acht weitere bis zum Jahresende geplant.

Eneco und Enercity haben investiert

Für die Expansion haben sich Gründer finanzkräftige Investoren aus der Branche an Bord geholt, die den Handwerkermangel im eigenen Tagesgeschäft täglich spüren: Jeweils 30 Prozent der Firmenanteile halten seit der letzten Finanzierungsrunde der niederländische Energiekonzern Eneco, zu dem der deutsche Ökostrom-Anbieter Lichtblick gehört, sowie der kommunale Energieversorger Enercity aus Hannover. Im Gesellschafterkreis sind auch Business Angels – darunter Christoph Ostermann, Gründer des Speicheranbieters Sonnen.

Sorgen, von den Geldgeber zu sehr vereinnahmt zu werden, haben die Gründer nicht. „Es ist auch im Interesse von Eneco und Enercity, dass wir weiterhin auch für andere Firmen der Branche tätigt sind“, sagt Florian Meyer-Delpho. Das Start-up profitiere aber davon, dass langfristige Aufträge der Investoren für ein Grundrauschen sorgen.

Mehr als 600 Unternehmen sind nach Angaben der Gründer als Kunden registriert – die 150 wichtigsten stünden bereits für 70 Prozent des Umsatzes auf dem deutschen PV-Markt. Die Branche boomt aktuell: „Mit einem so krassen Nachfragesprung haben auch wir nicht gerechnet“, sagt Meyer-Delpho. Treiber seien ein starker Strompreisanstieg im Dezember sowie der Ukrainekrieg, der zu nochmals höheren Energiekosten führt. Dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kürzlich auch steigende Einspeisevergütungen in Aussicht gestellt hat, dürfte dem Markt noch einmal einen Schub geben. Einer aktuellen Umfrage des Hamburger Markforschungsinstituts Appinio zufolge will ein Viertel der deutschen Hauseigentümer in den kommenden sechs bis zwölf Monaten eine eigene PV-Anlage anschaffen.

Die hohe Nachfrage spiegelt sich bei Installion – und versetzt das Start-up in eine komfortable Lage. „Die Preise spielen aktuell kaum eine Rolle. Es geht vor allem darum, schnell zu liefern“, sagt Meyer-Delpho. Zunehmend, so berichtet er, buchten kleinere Kunden nicht nur die Montage der Module, sondern lagerten auch die Beschaffung des Materials – von den Schrauben bis zu den Modulen – aus. Mit einem Umsatz von 14 Millionen Euro rechnen die Gründer in diesem Jahr. Gegenüber 2021 wäre das eine Vervierfachung.

Wettlauf um Elektriker und Dachdecker

Die Rechnung steht und fällt indes damit, wie gut es dem Start-up gelingt, eigenes Personal zu finden. Denn dem Fachkräftemangel, über den viele Handwerksbetriebe klagen, kann sich auch Installion nicht entziehen. Die bestehenden Montage-Niederlassungen sind laut den Gründern aktuell vier bis sechs Monate im Voraus ausgelastet. Dutzende Stellen für Dachdecker, Elektriker und Montagehelfer sind für die Expansion ausgeschrieben. Mit einem professionellen Recruiting in sozialen Medien und dem Start-up-Image hoffen die Gründer, Kandidaten für sich zu gewinnen. „Wir müssen cooler als andere sein und bessere Arbeitsbedingungen bieten“, sagt Pirnay.

Doch die Konkurrenz ist groß: Denn ähnliche Strategien verfolgen auch manche PV-Anbieter selbst. Das Berliner Start-up Enpal beispielsweise, das Solaranlagen vermietet statt verkauft, stellt gerade in großem Stil Handwerker an. In einer eigenen Akademie machen die Berliner zudem Quereinsteiger für die Arbeiten auf dem Dach fit. Installion wiederum hat zusammen mit dem Berliner Start-up PowerUs eine Online-Ausbildung für Monteure gestartet – die Praxiserfahrung sollen Kandidaten dann in den Hubs sammeln.

Personell aufstocken will Installion aber auch im Büro, gesucht werden etwa Programmierer. Der Firmensitz in Köln sei vorteilhaft: „Die Nähe zu vielen guten Hochschulen hilft, IT-Talente zu finden“, sagt Meyer-Delpho. Auch Branchen-Knowhow sei im Rheinland gut zu finden – denn Energiekonzerne wie Eon und RWE sind nicht weit. Erkannt haben das auch andere Start-ups: In Köln beispielsweise ist mit Next Kraftwerke ein Betreiber virtueller Kraftwerke ebenso ansässig wie der Mieterstrom-Spezialist Einhundertenergie oder der Enpal-Konkurrent Sunvigo. Die Politik könnte weitere Ansiedlungen gezielt fördern, sagt Meyer-Delpho: „Das Rhein-Ruhr-Gebiet hat das Potenzial, sich zum Mekka für Energie-Start-ups zu entwickeln

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