Abgas-Skandal Staatsanwalt ermittelt gegen Winterkorn

Braunschweig · Der frühere Volkswagen-Chef soll die Aktionäre zu spät über die Ermittlungen wegen des Diesel-Skandals informiert haben. Ermittelt wird wohl auch gegen VW-Markenchef Herbert Diess. Das ist für VW pikant - denn der ist noch im Amt.

Eigentlich schien alles auf einem guten Weg: Der Rückruf von manipulierten Diesel-Fahrzeugen war zuletzt immer besser in Gang gekommen, und dann hatte VW-Chef Matthias Müller in der vergangenen Woche auch noch die neue Strategie für 2025 vorgestellt: Digitalisierung, Elektroautos, Aufbruch. Nachdem Volkswagen im Herbst bei der Aufarbeitung des Abgasskandals zunächst überfordert gewirkt hatte, schien es, als gewönnen die Wolfsburger vor der morgen stattfindenden Hauptversammlung langsam wieder die Kontrolle.

Aber so leicht wird man die Vergangenheit nicht los. Gestern wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen möglicher Marktmanipulation gegen Martin Winterkorn ermittelt. Demnach hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) Strafanzeige gegen den Ex-Konzernchef gestellt, weil dieser die Anleger zu spät über den Abgas-Skandal informiert haben soll. Dieser hatte zwar stets betont, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein. Doch daran scheint man nicht mal mehr in Wolfsburg zu glauben.

Laut "Handelsblatt" will auch Volkswagen den früheren Chef für die durch den Abgasskandal verursachten Schäden heranziehen. Demnach seien Aufsichtsratsmitglieder der Ansicht, Winterkorn trage eine rechtliche Mitverantwortung für das Diesel-Desaster. Deshalb soll dessen Managerhaftpflicht-Versicherung zahlen. Ein VW-Sprecher wies das zurück: "Die Behauptungen entbehren jeglicher Grundlage, und wir weisen sie zurück."

Trotzdem wird es eng für Winterkorn - auch wenn die Fahnder betonen, dass nach wie vor die Unschuldsvermutung gelte. Denn der 69-Jährige gerät noch stärker in den Fokus. Bislang hatte Volkswagen versucht, die Manipulationen als Fehlverhalten einzelner Ingenieure darzustellen. Die Ermittler wollen beweisen, dass es auch auf der Führungsebene Versäumnisse gab.

Dass Winterkorn frühzeitig über die Manipulationen Bescheid wusste, ist unstrittig. Die Frage ist nur, ob er die Öffentlichkeit sofort hätte informieren müssen. Das finden zumindest die Anleger, die durch die Kursverluste der VW-Aktie nach Bekanntwerden des Skandals viel Geld verloren haben und nun klagen.

Die VW-Anwälte hatten hingegen in einer Klageerwiderung argumentiert, dass die öffentliche Bekanntmachung der Dieselthematik durch die US-Umweltbehörde EPA am 18. September 2015 für den Konzern unerwartet gekommen sei. Bis dahin hatten die Manager offenbar gehofft, mit der Behörde hinter verschlossenen Türen eine Lösung zu finden. Die Pflichtmitteilung an die Aktionäre ging erst am 22. September heraus.

"Das ist ein Paukenschlag und ein Signal für alle geschädigten Anleger", sagt Klaus Nieding, Vorstand der Rechtsanwaltsaktiengesellschaft Nieding + Barth, die gegen VW juristisch vorgeht. Auch in anderen Kanzleien dürfte man sich gestern die Hände gerieben haben.

Für VW-Chef Matthias Müller kommt die Nachricht so kurz vor der Hauptversammlung zu einem schlechten Zeitpunkt - zumal offenbar auch gegen VW-Markenchef Herbert Diess ermittelt wird. Die Staatsanwaltschaft wollte seinen Namen jedoch mit Verweis auf das Persönlichkeitsrecht nicht bestätigen. Sie erklärte lediglich, es handele sich dabei um ein zur fraglichen Zeit im Herbst 2015 amtierendes Konzern-Vorstandsmitglied. Diess war im Juli 2015 von BMW zu Volkswagen gewechselt und soll sich dort um die Neuausrichtung der Marke VW kümmern. Damit ist er letztlich auch für das VW-Geschäft in den USA verantwortlich, wo die Abgas-Affäre ihren Lauf nahm.

Ein VW-Sprecher wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern. Der Konzern teilte aber mit, dass man prüfen werde, ob es neue Erkenntnisse gibt, die man bei der Frage, ob man dem VW-Vorstand die Entlastung erteilen soll, berücksichtigen sollte.

(frin)
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