Düsseldorf Staat verdoppelt Kontoabfragen

Düsseldorf · Die Zahl der Abfragen von Privatkonten hat sich 2013 von 71 000 auf 140 000 erhöht. Nicht nur Steuersünder und verdächtige Sozialhilfebezieher, auch Schuldner stehen dabei neuerdings im Fokus. Datenschützer sind beunruhigt.

Private Bankkonten stehen immer stärker im Fokus staatlicher Behörden. Aus einem Bericht des Bundesfinanzministeriums geht hervor, dass die Zahl der Kontoabfragen im vergangenen Jahr auf 142 000 gestiegen ist. Im Jahr zuvor waren es nur knapp 71 000 gewesen. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, lag die Zahl der Abfragen im ersten Quartal dieses Jahres schon bei 48 000. Im Vorjahreszeitraum waren es 24 000. Der Anstieg hat Gründe.

Wer fragt Kontodaten ab? Seit 2003 darf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) Daten zur Strafverfolgung abrufen. Seit 2005 dürfen auch Finanzämter und Sozialbehörden Konten durchleuchten. Dazu gehört zum Beispiel das Jobcenter, das für Hartz-IV-Empfänger zuständig ist, das Amt für Ausbildungsförderung, das Studenten Bafög genehmigt, Sozialhilfe- und Wohngeldstellen. Seit Januar 2013 dürfen auch Gerichtsvollzieher abfragen.

Warum steigen die Abfragen so rasant an? Eben wegen der Gerichtsvollzieher, die 2013 die allermeisten Anfragen stellten. Wenn ein Schuldner seine Vermögensverhältnisse nicht offenbart, dann darf der Gerichtsvollzieher nachbohren. "Aber Eigenauskunft geht vor Fremdauskunft", sagt Karl-Heinz Brunner, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Gerichtsvollzieherbunds. "Ursache einer Abfrage ist die, dass der Schuldner nicht mitwirkt." Weitere Voraussetzung: Der Anspruch des Gläubigers muss über 500 Euro liegen. Die etwa 4300 Gerichtsvollzieher in Deutschland haben 2013 rund 1,3 Milliarden Euro an Schulden beigetrieben. "Wir begrüßen die Möglichkeit der Abfrage sehr, denn kleine Gläubiger kamen früher oft zu spät an die notwendigen Informationen", sagt Brunner.

Wie funktioniert die Abfrage? Die Behörden wenden sich an das Bundeszentralamt für Steuern, das wiederum nimmt die Abfrage bei Banken vor. Die Geldinstitute führen die Daten in einer separaten Datenbank, auf die das Bundeszentralamt Zugriff hat. Die Banken erfahren davon nichts. Der Betroffene allerdings muss vor und nach der Abfrage benachrichtigt werden.

Was wird abgefragt? Nur die Stammdaten eines Kontos oder Depots: Name, Geburtstag und Adresse des Inhabers, Tag der Errichtung (oder Auflösung), und die Kontonummer. Kontostände und -bewegungen werden nicht ermittelt.

Was sagen Datenschützer? Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, und ihr Vorgänger Peter Schaar teilten dazu mit: "Der Gesetzgeber ist in der Pflicht, die Befugnis zum Kontenabruf zu überprüfen und auf das unbedingt erforderliche Maß zurückzuführen." Der Abruf steht nämlich im Konflikt mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. "Behörden dürfen nicht ins Blaue hinein Gruppen unter Generalverdacht stellen", hieß es dazu gestern aus der Datenschutzbehörde. Es brauche echte dokumentierte Anhaltspunkte für die Abfrage. Die Datenschutzbehörden kontrollieren dies stichprobenartig. "In einigen Fällen haben wir festgestellt, dass Verfahren nicht rechtmäßig abgelaufen sind, weil die Betroffenen vorher nicht informiert worden sind oder die Abfrage über das erforderliche Maß hinausgegangen ist."

(RP)
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